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Lulu

Lulu

Titel: Lulu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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geheiratet!
    SCHWARZ (erhebt sich, außer sich)
    Sie …
    SCHÖN (nimmt ihn bei der Schulter)
    Nein, das ist der Weg nicht! (Nötigt ihn, sich zu setzen.) Wir haben hier sehr ernst miteinander zu sprechen.
    SCHWARZ
    Was tut sie?!
    SCHÖN
    Rechne dir erst genau an den Fingern nach, was du ihr zu verdanken hast, und dann …
    SCHWARZ
    Was tut sie – Mensch!!
    SCHÖN
    Und dann mach’ dich für deine Fehler verantwortlich und nicht sonst jemand.
    SCHWARZ
    Mit wem? Mit wem?
    SCHÖN
    Wenn wir uns schießen sollen …
    SCHWARZ
    Seit wann denn?!
    SCHÖN (ausweichend)
     – Ich komme nicht hierher, um Skandal zu machen. Ich komme, um dich vor dem Skandal zu retten.
    SCHWARZ (kopfschüttelnd)
     – Du hast sie missverstanden.
    SCHÖN (verlegen)
    Damit ist mir nicht gedient. Ich kann dich in deiner Blindheit nicht so weiterleben sehen. Das Mädchen verdient, eine anständige Frau zu sein. Sie hat sich, seit ich sie kenne, zu ihrem Besseren entwickelt.
    SCHWARZ
    Seit du sie kennst? – Seit wann kennst du sie denn?
    SCHÖN
    Etwa seit ihrem zwölften Jahr.
    SCHWARZ (verwirrt)
    Davon hat sie mir nichts gesagt.
    SCHÖN
    Sie verkaufte Blumen vor dem Alhambra-Café. Sie drückte sich barfuß zwischen den Gästen durch, jeden Abend zwischen zwölf und zwei.
    SCHWARZ
    Davon hat sie mir nichts gesagt.
    SCHÖN
    Daran hat sie recht getan! Ich sage es dir, damit du siehst, dass du es nicht mit moralischer Verworfenheit zu tun hast. Das Mädchen ist im Gegenteil außergewöhnlich gut veranlagt.
    SCHWARZ
    Sie sagte, sie sei bei einer Tante aufgewachsen.
    SCHÖN
    Das war die Frau, der ich sie übergab. Sie war die beste Schülerin. Die Mütter stellten sie ihren Kindern als Vorbild hin. Sie besitzt Pflichtgefühl. Es ist einzig und allein dein Versehen, wenn du bis jetzt versäumt hast, sie bei ihren besten Seiten zu nehmen.
    SCHWARZ (schluchzend)
    O Gott …!
    SCHÖN (mit Nachdruck)
    Kein »O Gott«!! An dem Glück, das du gekostet, kann nichts etwas ändern. Geschehen ist geschehen. Du überschätzest dich gegen besseres Wissen, wenn du dir einredest, zu verlieren. Es gilt zu gewinnen. Mit dem »O Gott« ist nichts gewonnen. Einen größeren Freundschaftsdienst habe ich dir noch nicht erwiesen. Ich spreche offen und biete dir meine Hilfe. Zeig’ dich dessen nicht unwürdig!
    SCHWARZ (von jetzt an mehr und mehr in sich zusammenbrechend)
    Als ich sie kennenlernte, sagte sie mir, sie habe noch nie geliebt.
    SCHÖN
    Wenn eine Witwe das sagt! Ihr gereicht es zur Ehre, dass sie dich zum Manne gewählt. Stelle die nämliche Anforderung an dich, und dein Glück ist makellos.
    SCHWARZ
    Er habe sie kurze Kleider tragen lassen.
    SCHÖN
    Er hat sie doch geheiratet! – Das war ihr Meisterstreich. Wie sie den Mann dazu gebracht, ist mir unfasslich. Du musst es jetzt ja wissen. Du genießt die Früchte ihrer Diplomatie.
    SCHWARZ
    Woher kannte Dr. Goll sie denn?
    SCHÖN
    Durch mich! – Es war nach dem Tode meiner Frau, als ich die ersten Beziehungen zu meiner gegenwärtigen Verlobten anknüpfte. Sie stellte sich dazwischen. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, meine Frau zu werden.
    SCHWARZ (wie von einer entsetzlichen Ahnung befallen)
    Und als ihr Mann dann starb?
    SCHÖN
     – Du hast eine halbe Million geheiratet!!
    SCHWARZ (jammernd)
    Wär’ ich geblieben, wo ich war! Wär’ ich hungers gestorben!
    SCHÖN (mit Überlegenheit)
    Glaubst du denn, ich mache keine Zugeständnisse? Wer macht keine Zugeständnisse? Du hast eine halbe Million geheiratet. Du bist heute einer der ersten Künstler. Dazu kommt man nicht ohne Geld. Du bist nicht derjenige, um über sie zu Gericht zu sitzen. Bei einer Herkunft, wie sie Mignon hat, kannst du unmöglich mit den Begriffen der bürgerlichen Gesellschaft rechnen.
    SCHWARZ (ganz wirr)
    Von wem sprichst du denn?
    SCHÖN
    Ich spreche von ihrem Vater. Du bist Künstler, sag’ ich. Deine Ideale liegen auf einem andern Gebiete als die eines Lohnarbeiters.
    SCHWARZ
    Ich verstehe von alledem kein Wort.
    SCHÖN
    Ich spreche von den menschenunwürdigen Verhältnissen, aus denen sich das Mädchen dank seiner Führung zu dem entwickelt hat, was sie ist!
    SCHWARZ
    Wer denn?
    SCHÖN
    Wer denn? – Deine Frau.
    SCHWARZ
    Eva??
    SCHÖN
    Ich nannte sie Mignon.
    SCHWARZ
    Ich meinte, sie hieße Nelli?
    SCHÖN
    So nannte sie Dr. Goll.
    SCHWARZ
    Ich nannte sie Eva …
    SCHÖN
    Wie sie eigentlich hieß, weiß ich nicht.
    SCHWARZ (geistesabwesend)
    Sie weiß es vielleicht.
    SCHÖN
    Bei einem Vater, wie sie ihn hat, ist sie

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