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Lulu

Lulu

Titel: Lulu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Ausrufer. (Setzt sich neben Lulu, drängt ihr den Revolver auf.) Es ist noch genug für dich drin. – Sieh mich an! Ich kann in meinem Haus meinem Kutscher nicht helfen, mir die Stirn zu verzieren. Sieh mich an! Ich bezahle meinen Kutscher. Sieh mich an! Vergönne ich meinem Kutscher was, wenn ich den infamen Stallgeruch nicht verschnupfen kann?
    LULU
    Lass anspannen. Bitte. Wir fahren in die Oper.
    SCHÖN
    Wir fahren zum Teufel! Jetzt kutschiere ich. (Den Revolver in ihrer Hand von sich ab und auf Lulus Brust wendend.) Glaubst du, man lässt sich misshandeln, wie du mich misshandelst, und besinnt sich zwischen einer Galeerenschande von Lebensabend und dem Verdienst, die Welt von
dir
zu befreien? (Hält sie am Arm nieder.) Komm zu Ende. Es soll mir die glücklichste Erinnerung meines Lebens sein. Drück los!
    LULU
     – Du kannst dich scheiden lassen.
    SCHÖN (sich erhebend)
    Das war noch übrig. Damit morgen ein Nächster seinen Zeitvertreib findet, wo ich von Abgrund zu Abgrund geschaudert, den Selbstmord im Nacken und dich vor mir. Das wagt sich dir über die Lippen? Was ich von meinem Leben in dich hineingelebt, soll ich wilden Tieren vorgeworfen sehen? Siehst du dein Bett mit dem Schlachtopfer darauf? Der Junge hat Heimweh nach dir. – Hast du dich scheiden lassen? Du hast ihn unter die Füße getreten, ihm das Gehirn ausgeschlagen, sein Blut in Goldstücken aufgefangen. Ich mich scheiden lassen! Lässt man sich scheiden, wenn die Menschen ineinander hineingewachsen und der halbe Mensch mitgeht? (Nach dem Revolver langend.) Gib her.
    LULU
    Erbarmen!
    SCHÖN
    Ich will dir die Mühe abnehmen.
    LULU (reißt sich von ihm los, den Revolver niederhaltend, in entschiedenem selbstbewussten Ton)
     – Wenn sich die Menschen um meinetwillen umgebracht haben, so setzt das meinen Wert nicht herab. – Du hast so gut gewusst, weswegen du mich zur Frau nimmst, wie ich gewusst habe, weswegen ich dich zum Mann nehme. – Du hattest deine besten Freunde mit mir betrogen, du konntest nicht gut auch noch dich selber mit mir betrügen. – Wenn du mir deinen Lebensabend zum Opfer bringst, so hast du meine ganze Jugend dafür gehabt. Du verstehst dich zehnmal besser als ich darauf, was höher im Wert steht. Ich habe nie in der Welt etwas anderes scheinen wollen, als wofür man mich genommen hat, und man hat mich nie in der Welt für etwas anderes genommen, als was ich bin. – Du willst mich dazu zwingen, mir eine Kugel ins Herz zu jagen. Ich bin keine sechzehn Jahre mehr; aber um mir eine Kugel ins Herz zu jagen, dafür bin ich mir doch noch zu jung!
    SCHÖN (auf sie eindringend)
    Nieder, Mörderin! Nieder mit dir! In die Knie, Mörderin! (Er drängt sie bis vor die Treppe. Die Hand erhebend.) Nieder – und wage nicht wieder aufzustehn!
    LULU
    (ist in die Knie gesunken).
    SCHÖN
    Bete zu Gott, Mörderin, dass er dir Kraft gibt! Flehe zum Himmel, dass er dir die Kraft dazu verleiht!
    HUGENBERG (unter dem Tisch aufspringend, den Sessel beiseite stoßend)
    Hilfe!
    SCHÖN
    (wendet sich gegen Hugenberg, Lulu den Rücken kehrend).
    LULU
    feuert fünf Schüsse gegen Schön und hört nicht auf, den Revolver abzudrücken).
    SCHÖN (vornüberstürzend, von Hugenberg aufgefangen, der ihn in den Sessel niederlässt)
    Und – da – ist – noch – einer …
    LULU (auf Schön zustürzend)
    Allbarmherziger …
    SCHÖN
    Aus meinen Augen! – – – Alwa!
    LULU (auf den Knien)
    Der Einzige, den ich geliebt!
    SCHÖN
    Dirne! Mörderin! – Alwa! Alwa! – Wasser!
    LULU
    Wasser; er verdurstet. (Füllt ein Glas mit Champagner und setzt es Schön an die Lippen.)
    ALWA (kommt über die Galerie, die Treppe herunter)
    Mein Vater! Um Gottes willen, mein Vater!
    LULU
    Ich habe ihn erschossen.
    HUGENBERG
    Sie ist unschuldig!
    SCHÖN (zu Alwa)
    Du bist es. Es ist missglückt.
    ALWA (will ihn aufheben)
    Du musst zu Bett. Komm.
    SCHÖN
    Fass mich nicht so an. – Ich verdorre …
    LULU
    (kommt mit dem Champagnerkelch).
    SCHÖN (zu Lulu)
    Du bleibst dir gleich. (Nachdem er getrunken, zu Alwa.) Lass sie nicht entkommen. – Du bist der Nächste …
    ALWA (zu Hugenberg)
    Helfen Sie mir, ihn aufs Bett bringen.
    SCHÖN
    Nein, nein, bitte, nein. Sekt, Mörderin …
    ALWA (zu Hugenberg)
    Fassen Sie mit an. (Nach links deutend.) Ins Schlafzimmer.
    (Beide richten Schön empor und führen ihn nach rechts. Lulu bleibt neben dem Tisch, das Glas in der Hand.)
    SCHÖN (stöhnend)
    O Gott, o Gott, o Gott …
    ALWA
    (findet die Tür verschlossen,

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