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Lulu

Lulu

Titel: Lulu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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(sich bedienend)
    Ich habe an dem einen vollkommen genug. (Zu Schwarz.) Sagen Sie mal, was macht denn eigentlich Ihre kleine Tänzerin?
    SCHÖN (sich nach Schwarz umwendend)
    Sie und eine Tänzerin?
    SCHWARZ
    Die Dame saß mir damals nur aus Gefälligkeit. Ich kenne die Dame von einem Ausflug des Cäcilienvereins her.
    GOLL (zu Schön)
    Hm – ich glaube, wir kriegen anderes Wetter.
    SCHÖN
    Das geht wohl nicht so rasch mit der Toilette?
    GOLL
    Das geht wie der Blitz! Die Frau muss Virtuosin in ihrem Fach sein. Das muss jeder von uns in seinem Fach, wenn das Leben nicht zur Bettelei werden soll. (Ruft.) Hopp, Nelli!
    SCHWARZ (an der Tür)
    Frau Obermedizinalrat!
    LULU (von innen)
    Gleich, gleich.
    GOLL (zu Schön)
    Ich begreife solche Stockfische nicht.
    SCHÖN
    Ich beneide sie. Diese Stockfische kennen nichts Heiligeres als ihr Hungertuch. Sie fühlen sich reicher als unsereiner mit 30   000  Mark Renten. Sie können übrigens nicht über einen Menschen urteilen, der von Kindesbeinen an von der Palette in den Mund gelebt hat. Nehmen Sie es auf sich, ihn zu finanzieren. Es ist ein Rechenexempel. Mir fehlt der moralische Mut. Man verbrennt sich auch leicht die Finger …
    LULU (als Pierrot aus dem Schlafzimmer tretend)
    Da bin ich.
    SCHÖN (wendet sich um, nach einer Pause)
    Superb!
    LULU (tritt näher)
    Nun?
    SCHÖN
    Sie beschämen die kühnste Phantasie.
    LULU
    Wie gefall’ ich Ihnen?
    SCHÖN
    Ein Bild, vor dem die Kunst verzweifeln muss.
    GOLL
    Finden Sie nicht auch?
    SCHÖN (zu Lulu)
    Sie wissen doch wohl nicht recht, was Sie tun.
    LULU
    Ich bin mir meiner vollkommen bewusst!
    SCHÖN
    Dann dürften Sie etwas besonnener sein.
    LULU
    Ich tue ja doch nur meine Schuldigkeit.
    SCHÖN
    Sie sind gepudert?
    LULU
    Was fällt Ihnen ein!
    GOLL
    Sie hat eine weiße Haut, wie ich sie noch nirgends gesehen habe. Ich habe unserem Raffael auch gesagt, er möge sich mit dem Fleisch nur ja so wenig wie möglich abgeben. Ich kann mich einmal für die moderne Klexerei nicht begeistern.
    SCHWARZ (an den Staffeleien, seine Farben präparierend)
    Dem Impressionismus dankt es die heutige Kunst jedenfalls, dass sie sich alten Meistern ohne Erröten an die Seite stellen darf.
    GOLL
    Für ein Stück Schlachtvieh mag sie ja ganz angebracht sein.
    SCHÖN
    Nur um Gottes willen keine Aufregung!
    LULU
    (fällt Goll um den Hals und küsst ihn).
    GOLL
    Man sieht dein Negligé. Du musst es herunterziehen.
    LULU
    Ich hätte es am liebsten weggelassen. Es geniert nur.
    GOLL
    Er wäre imstande und malte es hin.
    LULU (nimmt den Schäferstab, der an der spanischen Wand lehnt, auf das Podium steigend, zu Schön)
    Was würden Sie jetzt sagen, wenn Sie zwei Stunden Parade stehen müssten?
    SCHÖN
    Meine Seele verschriebe ich dem Teufel, um mit Ihnen tauschen zu dürfen.
    GOLL (sich rechts setzend)
    Kommen Sie hierher. Hier ist nämlich mein Beobachtungsposten.
    LULU (das linke Beinkleid bis zum Knie hinaufraffend, zu Schwarz)
    So?
    SCHWARZ
    Ja …
    LULU (es um eine Idee höher raffend)
    So?
    SCHWARZ
    Ja, ja …
    GOLL (zu Schön, der auf dem Sessel neben ihm Platz genommen hat, mit einer Handbewegung)
    Ich finde sie nämlich von hier aus noch vorteilhafter.
    LULU (ohne sich zu rühren)
    Ich bitte sehr! Ich bin von allen Seiten gleich vorteilhaft.
    SCHWARZ (zu Lulu)
    Das rechte Knie weiter vor, bitte.
    SCHÖN (mit einer Geste)
    Der Körper zeigt vielleicht feinere Linien …
    SCHWARZ
    Die Beleuchtung ist heute zum mindesten halbwegs erträglich.
    GOLL
    Sie müssen sie flott hinwerfen! Fassen Sie Ihren Pinsel etwas länger!
    SCHWARZ
    Gewiss, Herr Medizinalrat.
    SCHÖN
    Behandeln Sie sie als Stillleben!
    SCHWARZ
    Gewiss, Herr Doktor. (Zu Lulu.) Sie pflegten den Kopf um eine Idee höher zu halten, Frau Medizinalrat.
    LULU (den Kopf hebend)
    Malen Sie mir die Lippen etwas geöffnet.
    SCHÖN
    Malen Sie Schnee auf Eis. Wenn Sie sich dabei erwärmen, dann wird Ihre Kunst sofort unkünstlerisch.
    SCHWARZ
    Gewiss, Herr Doktor!
    GOLL
    Die Kunst, wissen Sie, muss die Natur so wiedergeben, dass man wenigstens
geistig
dabei genießen kann!
    LULU (den Mund etwas öffnend, zu Schwarz)
    So – sehen Sie. So halte ich sie halb geöffnet.
    SCHWARZ
    Sobald die Sonne kommt, wirft die Mauer von gegenüber warme Reflexe herein.
    GOLL (zu Lulu)
    Du musst dich in deiner Stellung überhaupt so verhalten, als ob unser Velasquez hier gar nicht vorhanden wäre.
    LULU
    Ein Maler ist doch auch eigentlich gar kein Mann.
    SCHÖN
    Ich glaube nicht, dass Sie von einer rühmlichen

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