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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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In seinen Augen würde sie immer die Naive und Ahnungslose bleiben. Während er die Rolle desjenigen übernommen hatte, der wusste, wie es in der sogenannten Wirklichkeit aussah.
    Jetzt bekam er fast ein schlechtes Gewissen. Es war spät, es war immer noch dunkel draußen, und das Leben war nicht wie früher. Er war einen Moment eingeschlummert und ahnte nun, als er hinausschaute, dass der Tag bald anbrechen würde. Zu dieser nächtlichen Stunde gab es keine angenehmen Gedanken, sondern Angst und Unruhe rumorten in seinem Innern.
    Er ging mit sich ins Gericht. Das Bild von Charlotte hatte er sich vermutlich so zurechtgelegt, weil es ihm so gepasst hatte. Denn eigentlich traf Charlotte die verschiedensten Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Selbst sie musste daher einigen Einblick in unterschiedlichste Verhältnisse erhalten haben. Vielleicht war sie gar nicht so blauäugig, wie er immer gedacht hatte. Manchmal sah er ihr das auch an, aber es fiel ihm schwer, das zu akzeptieren.
    Manchmal zankten sie sich, das war alles. Zum großen Streit kam es aber nie. Nein, auf dieses Niveau ließen sie sich nicht herab.
    Manchmal ging er in die Küche, wenn es brisant wurde, wenn sie nicht die besten Freunde waren. Dann stellte er sich ausnahmsweise an den Herd und bereitete ein Liebesmahl zu. Es musste nichts Außerwöhnliches sein, ein Omelette und eine Flasche Wein genügten. Der gute Wille zählte, damit nahm sie es genau. Und anschließend war alles wieder gut.
    Oder?
    Sehnte sie sich nach Veränderung? Hatte sie ihm in letzter Zeit zu verstehen gegeben, dass sie unzufrieden war?
    Nein, dachte er. Jedenfalls hatte er nichts bemerkt.
    Aber das allergrößte Glück hatte er ihr nicht schenken können. Niedergeschlagen ging er im halbdunklen Wohnzimmer auf und ab und wartete darauf, dass der Türklopfer durch das Haus hallen würde. Sie würden bald da sein. Die Polizeibeamten. Sie hatten ihm nicht gesagt, worum es ging.
    Vielleicht hatte sie damals bei NK, als sie mit der Hand über den weichen Frotteestoff gefahren war, gedacht, dass das ein Morgenmantel war, an den sich kleine Kinder kuscheln konnten, um zu spüren, dass er nach Papa roch.
    Genug.
    Harald atmete rasch durch die Nase. Er war den Tränen nahe und zitterte, als er wieder ausatmete. Dann schob er die schmerzhafte Leere, die unbeschreibliche Sehnsucht, beiseite.
    Jetzt hörte er draußen Stimmen. Der Klopfer hallte durch das Haus. Er band den Morgenrock fester und ging auf die Haustür zu.
    Die Situation war ausgesprochen verwirrend, obwohl er selbst ein weiteres Mal angerufen hatte, als ihm klargeworden war, dass sie nicht mit irgendeiner plausiblen Erklärung nach Hause kommen würde. Weder in der Morgendämmerung noch am Vormittag.
    Der Beamte, der schließlich zurückgerufen hatte, hatte ihn aufgefordert, zu Hause zu warten. Andere Direktiven hatte er nicht bekommen, kein genauer Zeitpunkt war genannt worden, nichts hatte man ihm in Aussicht gestellt.
    fetzt waren sie da. Zwei. Er führte sie in das große Wohnzimmer. Ratlos betrachtete er Charlottes Kleidungsstücke, die sie aus einer großen braunen Papiertüte nahmen.
    »Ja, das sind ihre Kleider.« Er nickte. Ein ungefärbter Wollpullover und eine sandfarbene Armani-Jeans. Um ihn zu schonen, zeigte die Polizistin ihm nur die Rückseite des Pullovers. Sie sprach es zwar nicht aus, aber ihm wurde es klar, als er in ihre dunklen, großen Augen sah.
    Charlottes Verlobungs- und Eheringe waren auch dabei. Er brauchte gar nicht erst nach seinem eingravierten Namen zu suchen, sondern nickte nur.
    Er erinnerte sich an ihre Verlobung im Grand Hotel in Lund, das er damals als einen ausgesprochen passenden Ort erachtet hatte. Traditionsreich und mit Atmosphäre. Dennoch war ihm zwischen den glänzenden Damasttischdecken und aufwändig gefalteten Stoffservietten nicht ganz wohl gewesen. Ein Strauß blassgelber Rosen hatte auf dem Tisch gestanden. Charlottes Augen hatten gefunkelt, alles war sehr romantisch gewesen. Ich bin so glücklich, hatte sie gesagt. Als er ihr den Ring auf den Finger geschoben und sie geküsst hatte, hatte er sich endlich entspannen und freuen können.
    Die eigentliche Hochzeit war dann ganz anders gewesen …
    »Sie hat Sie im Verlauf des Abends nicht angerufen?«, fragte die etwas ältere Polizistin, nachdem sie ihm erzählt hatten, Charlotte sei im Krankenhaus.
    Sie war also am Leben. Alles war plötzlich verändert.
    Keine der Polizistinnen trug Uniform. Die jüngere, die ihm die Kleider

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