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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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keine Wunddrainage gelegt. Die Patientin wird auf der Intensivstation versorgt.«
    Eine Drainage war nicht nötig gewesen, da die Wunde trocken gewesen war und sehr gut ausgesehen hatte.
    Als sie zu Ende diktiert hatte, gähnte sie so herzhaft, dass die Kiefergelenke knackten. Dann erhob sie sich und trat auf den Gang.
    Hoffentlich war Daniel Skotte bald fertig, damit man die Patientin wecken und auf die Intensivstation bringen konnte, die auf demselben Stockwerk jenseits der Fahrstühle lag. Sie wollte mitgehen, sehen, dass die Frau dort gut untergebracht wurde, und den Intensivschwestern zusammen mit dem Anästhesisten noch ein paar Anweisungen geben sowie die Medikamente ordinieren.
    Im Krankenhaus war man umweltbewusst. Nachts wurden die Gänge schwächer beleuchtet. Sie ging auf das Fenster über dem Vorbereitungstisch der Anästhesisten zu. Auch dort war es fast dunkel. Sie sah hinaus. Über der Ostsee war die Dämmerung zu ahnen. Das Tal unter ihr lag noch im Dunkeln. Der Döderhultsbach war als schmales, funkelndes Rinnsal zu erkennen. Auf der Straße beschleunigte ein Lastwagen mit Anhänger. Sie folgte dem motorisierten Glühwürmchen mit den Augen. Sie war nach der erfolgreich ausgeführten Arbeit angenehm zufrieden.
    Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie in einem anderen Krankenhaus hoch oben am Fenster gestanden und eine ganz andere Rolle bekleidet. Es hatte sie getröstet, über die Südküste Schonens Richtung Malmö und Kopenhagen zu schauen. Eine offene Landschaft. Ihre Seele eine offene Wunde.
    Sie hatte sich auf der Neurochirurgie der Universitätsklinik Lund befunden. Der Alptraum aller Eltern wurde für sie Wirklichkeit. Ihr Kind war lebensgefährlich verletzt worden.
    Das Schlimmste war jetzt vorüber, aber die Zukunft war immer noch ungewiss.
    Cecilia konnte sich wieder bewegen wie früher, sie konnte allein essen und sich allein anziehen, obwohl das langsamer ging. Sie konnte ohne Hilfe auf die Toilette gehen und sich auch allein waschen. Vielleicht würde sie auch wieder wie früher rennen können. Und tanzen.
    Niemand wusste das sicher. Würde Cecilia wieder Bücher lesen können, ohne nach drei Zeilen einzuschlafen? Würde sie begreifen, was sie las? Würde sie weiterstudieren können? Würde sie ihr Berufsziel erreichen und sich nicht einfach in ihr Schicksal ergeben? Und wie sah das eigentlich aus? Dass sie jemandem, der ausgerastet war, in die Quere gekommen war.
    Veronika wäre diesem Menschen gerne begegnet. Hätte ihm gerne in die Augen gesehen.
     
    Die Patientin besaß nun einen Namen. Sie hieß Charlotte Eriksson.
    Man hatte sie inzwischen auf die Intensivstation verlegt. Ihr Ehemann, Harald Eriksson, hatte seine Frau noch nicht sehen dürfen. Er wartete in einem Zimmer auf demselben Flur.
    Eine dieser vielen Begegnungen. Veronika ging davon aus, dass es recht schnell gehen würde. Nicht weil es so spät war oder genau genommen bereits frühmorgens und alle müde waren, sondern weil sie ihm eine gute Botschaft überbrachte. Außerdem hatten sie und der Ehemann und natürlich die Patientin selbst noch tagelang Zeit, sich im Krankenhaus in aller Ruhe zu unterhalten.
    Veronika war zufrieden. Die Patientin würde vermutlich keine bleibenden Schäden davontragen. Eine Narbe, das ja, aber der Magen würde wieder in Ordnung kommen, und sie würde essen und trinken können wie vorher.
    Aber die eigene Zufriedenheit durfte sie nicht blind machen, wenn sie jetzt gleich dem Ehemann gegenüberstand, der außer sich vor Angst war. Er würde mit Recht skeptisch auf einen zu munteren und bagatellisierenden Ton reagieren, das wusste sie aus Erfahrung.
    Veronika vermied es, ernste Situationen kleinzureden. Charlotte Erikssons Verletzung war zweifellos lebensbedrohlich gewesen, als man sie eingeliefert hatte. Ernsten Situationen war mit Respekt zu begegnen. Und mit Zeit.
    Sie erinnerte sich daran, dass sich nach dem Untergang der Fähre Estonia Patienten und Angehörige, die von anderen Katastrophen heimgesucht worden waren, beklagt hatten, sie seien ob der enormen Aufmerksamkeit, die den Estonia-Opfern und ihren Angehörigen zuteil geworden war, in Vergessenheit geraten. Ihre missliche Lage war im Vergleich gewissermaßen verblasst.
    Trauer ließ sich weder messen noch vergleichen.
    Daniel Skotte ging neben ihr den Korridor der Intensivstation entlang. In ihren grünen Kleidern mit den offenen Ärztekitteln sahen sie aus, als kämen sie direkt vom Schlachtfeld.
    Skottes Handy klingelte und er

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