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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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antwortete. Das Gespräch war kurz.
    »Notaufnahme?«, fragte Veronika.
    »Ja. Zwei Patienten, aber beides keine eiligen Fälle.«
    »Kommst du doch mit rein?«
    Er nickte wie erwartet. Die meisten Ärzte wollten gerne von Anfang bis Ende dabei sein, von der Einlieferung über die Operation bis zur Begegnung mit den Angehörigen und später mit dem Patienten selbst.
    »Es wäre nett, wenn du dich nachher allein um die beiden auf der Notaufnahme kümmern könntest, dann kann ich nach Hause fahren«, meinte sie.
    Langsam wurde sie müde.
    »Klar!«
    Sie hatte das ganze Wochenende Bereitschaftsdienst und musste ihre Kräfte schonen. Skotte hingegen hatte um neun Uhr Feierabend. Dann konnte er nach Hause gehen und schlafen und hatte später einen Samstagabend im friedlichen Oskarshamn vor sich. Veronika überlegte, was er wohl unternehmen würde.
    Daniel Skotte war inzwischen vierunddreißig Jahre alt. Er war groß, mager und blass, sogar im Sommer. Er hatte magere Oberarme, die aussahen, als hätte er nie ein Fitnessstudio betreten. Sein aschblondes Haar kräuselte sich jungenhaft und war im Nacken ausrasiert. Er war sehr kurzsichtig, und als er bei ihnen angefangen hatte, hatte er noch seine Militärbrille getragen, was ihm einen recht abgebrühten Ausdruck verliehen hatte. Er hatte ausgesehen wie ein Kampfschwimmer. Einige Kollegen, die ähnliche Brillen trugen, verstärkten den hartgesottenen Eindruck noch dadurch, dass sie sich den Kopf rasierten. In Skottes Fall hatte seine Brillenwahl jedoch finanzielle Gründe gehabt. Er stammte aus einfacheren Verhältnissen, sein Vater war Tankstellenpächter, und seine Mutter arbeitete in einem Hort. Bodenständige Leute, die ihrem Sohn jedoch nicht oft Geld hatten zustecken können. Jetzt hatte er die mageren Studentenzeiten hinter sich gelassen und trug eine moderne Brille mit einem dünnen schwarzen Metallgestell.
    Veronika wusste, dass er gerade eine Trennung hinter sich hatte. Er hatte einige Bemerkungen fallen lassen, als sie sich einmal vor einer Operation nach allen Regeln der Kunst die Hände gewaschen hatten. Ihr war sein trauriger Blick über dem Mundschutz aufgefallen, aber dann hatten sie nie mehr darüber geredet.
    Skotte sah im Großen und Ganzen recht nett aus, aber sein Aussehen prägte sich einem nicht sofort ein. Er war umgänglich, und in letzter Zeit war er etwas selbstbewusster geworden. Am auffälligsten waren seine kräftigen Beine. Er hatte eine extrem gute Kondition, war zäh und stur und scheute nicht davor zurück, sich selbst zu quälen, was eine gute Voraussetzung für einen zukünftigen Starchirurg war, der nie aufgeben durfte, wie kompliziert der Eingriff auch sein mochte. Skotte trainierte ständig für irgendwelche Marathonläufe, der nächste war in New York im November. Er hatte also bis vor kurzem eine Freundin gehabt, er hatte sogar mit ihr zusammengewohnt, aber Veronika hatte den Verdacht, dass er ihr ganz einfach davongelaufen war. Etwas Zeit war für alle Beziehungen erforderlich, aber sie hütete sich, ihm das zu sagen.
    Jetzt war Skotte unrasiert, aber er wirkte trotzdem noch wie ein lieber Kater. Wie sie selbst aussah, war ihr egal. Sie wäre nicht einmal im Traum auf die Idee gekommen, in einer Situation wie dieser in den Spiegel zu schauen.
    Veronika klopfte leise, räusperte sich und öffnete die Tür. In einem der Sessel saß ein Mann mittleren Alters. Er war leger, aber ordentlich gekleidet und besaß die Unerschütterlichkeit, die gewissen Menschen eigen ist, gleichgültig, wie es ihnen geht.
    Der Mann, dessen Namen ihr im Moment wieder entfallen war, sprang auf. Sie wollte ihm gerade die Hand reichen und ihren Namen sagen, da wandte er sich an Daniel Skotte.
    Er nahm sie nicht einmal wahr.
    »Wie geht es ihr?«
    Veronika kam rasch zu dem Schluss, dass sie es ihnen zugestehen konnte, einen Augenblick lang unsichtbar zu bleiben. Sie setzte ein mildes Lächeln auf. Wenn sie etwas konnte, dann lächeln. Das konnten die meisten Frauen. Es kam ihr neuerdings immer sinnloser vor, gekränkt zu sein. Woher sollte der Mann auch wissen, dass sie Chirurgin und nicht Krankenschwester war? Das Wichtigste war schließlich, dass sie das wusste. Und Skotte.
    Sie lächelte also, während sie Skotte betrachtete. Sie wartete darauf, dass er sie zu Wort kommen lassen würde. Aber zu ihrem großen Erstaunen begann er, detailliert die Operation zu beschreiben. Er sagte wir, was so klang, als hätte er das Skalpell in der Hand gehalten und als hätte

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