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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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Veronika assistiert.
    Nach einer Weile fiel ihr auf, dass der Ehemann überfordert war. Skottes energische Ausführungen, seine fuchtelnden, um Deutlichkeit bemühten Hände, der Gatte, der bei all den Manövern im Bauchraum seiner Frau immer bleicher wurde, den blutenden Därmen, die entfernt und zusammengenäht worden waren – schließlich griff sie ein.
    »Ich heiße Veronika Lundborg und bin Oberärztin«, unterbrach sie autoritär wie eine Parteiführerin im Endspurt des Wahlkampfes und legte dem Mann gleichzeitig eine Hand auf den Arm.
    »Ich finde, dass Sie jetzt zu Ihrer Frau reingehen sollten. Wir begleiten Sie. Sie haben einiges durchgemacht, aber Ihre Frau wird wieder gesund, genau wie Daniel Skotte eben gesagt hat. Wir können uns morgen weiter unterhalten.«
    Der Mann sah sie etwas verlegen an.
    »Sie sind sicherlich sehr erschöpft«, meinte sie freundlich.
    »Stimmt«, gab er zu.
    Eine halbe Sekunde verstrich.
    »Haben Sie vielen, vielen Dank!«, platzte er dann heraus, nahm resolut mit beiden Händen Veronikas Rechte und drückte sie eine Ewigkeit. Anschließend wiederholte er die Prozedur mit Daniel Skottes Hand.
    Ob er wohl Pastor einer Freikirche ist, überlegte Veronika.
     
    Samstagmorgen. Die Stadt erwachte langsam.
    Veronika fuhr vom Krankenhausparkplatz, der halbleer im feuchtkalten Morgendunst lag. Einige Elstern hatten den Inhalt eines Mülleimers, Bananenschalen und Eispapier, auf dem schwarzen Asphalt verteilt. Sie bog Richtung Zentrum ab und befand sich rasch in dem Kreisverkehr, der jeden Autofahrer in Oskarshamn empfing. Auf einem Hügel in der Mitte wuchsen strahlende Herbstblumen und ein paar späte Rosen. Es war fast sechs Uhr.
    Um neun musste Veronika wieder in der Klinik sein, um mit Fresia Gabrielsson, die Daniel Skotte ablösen würde, die Visite zu machen. Fresia war jung und ehrgeizig, genau wie Veronika einst. Sie versuchte es allerdings immer allen recht zu machen. Veronika ärgerte sich ein wenig über Fresias abwartendes Verhalten, darüber, dass sie ständig ihre Umgebung beobachtete, um sich anpassen zu können, nicht zuletzt auch an die Schwestern.
    Veronika fror. Sie umklammerte das Lenkrad und gab nur vorsichtig Gas, da sie wusste, dass ihr Reaktionsvermögen momentan ziemlich eingeschränkt war.
    Es würde wieder einen für die Jahreszeit viel zu warmen Tag geben. Für diese feuchten und warmen Tage mit gelegentlichem Platzregen konnte man nur dankbar sein. Aber diese Wolkenbrüche hatten etwas Unnatürliches. Irgendetwas stimmte nicht. Und da wollte sie noch ein Kind zur Welt bringen!
    Vielleicht.
    Kolbergavägen. Ein Fahrradfahrer fuhr Schlangenlinien, vermutlich weil er betrunken war. Sie überholte ihn in einem weiten Bogen. Bald war sie zu Hause. Sie fragte sich, wie es wohl war, aus der Narkose zu erwachen und zu erfahren, dass auf einen geschossen worden war.
    Veronika hätte Claes gerne wie ein kleines Kind, das sich nicht bremsen kann, sofort von der Nacht erzählt. Gleichzeitig hoffte sie jedoch, dass er und Klara noch schliefen, damit sie ins Haus schleichen und ihren schmerzenden Kopf noch einen Augenblick auf ein Kissen betten konnte.
    Veronika überlegte, dass ihr Vater, wäre er noch am Leben gewesen, bestimmt sehr stolz auf sie gewesen wäre. Die Tochter, die eine Schussverletzung operierte. Er hätte das sicher ganz aufregend gefunden und ihre Erklärung, dass sich eine solche Operation nicht von einer Krebsoperation unterschied, nicht gelten lassen. Vielleicht hätte sie bei all seiner Bewunderung aber auch nur abwehrend und kleidsam bescheiden gelächelt. Und er hätte sie die Geschichte immer wieder erzählen lassen, aber nur in groben Zügen, etwa so, wie es in der Zeitung stehen würde. Im Gegensatz zu ihrer Mutter, die sie regelmäßig zum Verstummen gebracht hatte, hatte er sie nie ausgefragt. Die alterstrüben, braunen Augen ihres Vaters hatten stets auf ihr geruht, während er sich mit der Hand über die Bartstoppeln an seinem mageren Kinn gestrichen hatte. Er hatte ihr immer begeistert und ohne jeglichen Minderwertigkeitskomplex zugehört. Ihm gegenüber hatte sie in ihren Erfolgen schwelgen dürfen. Sie war der Liebling ihres Vaters gewesen.
    Ohne Ankündigung brachen die Tränen aus ihrem Innern hervor. Sie wischte sie mit ihrer vom vielen Waschen rauen und trockenen Hand weg. Dann schniefte sie, suchte im Fach neben dem Fahrersitz nach Papiertaschentüchern und schnäuzte sich. Es war nur ein Anflug von ganz normaler Trauer und Wehmut.

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