Lupus - Ankunft der Woelfe
bitteschön professionell. Wenn Steinmeier nicht da ist, dann krallen Sie sich einen anderen, der seine Arbeit macht.«
Mit gedrosseltem Tempo passierte er die Einfahrt und parkte den Rover direkt vor der Charité. Von hier waren es nur zwei Straßen zum Tatort und nur wenige Kilometer zur Rechtsmedizin. Er stieg aus und entschied sich, zuerst zur Charité zu gehen, um mit dem Chef der toten Krankenschwester, Professor Urbath, zu reden.
Der Wind blies scharf aus Richtung Plötzensee, trug den Geruch von feuchtem Laub, Abgasen und einer Zigarette herüber. Er beugte sich ins Auto und zerrte seinen Mantel aus Hightech-Softshell vom Beifahrersitz. Anthrazitfarben. Extrem reißfestes Schutzmaterial. Atmungsaktiv und dehnbar. Titanknöpfe mit verstecktem Aufnahme- und Abhörgerät, Speicherchips und sieben weiteren, streng geheimen Eigenschaften. Mit leisem Plopp schnappten die Autotüren zu.
Ein Mann und eine Frau in weißen Kitteln standen auf dem Parkplatz und rauchten. Cube griff in seine Innenjackentasche, zog eine Schachtel Zigaretten hervor und schlenderte auf die beiden zu. Dabei tat er so, als suchte er etwas in den Manteltaschen. Jedoch lauschte er dem Gespräch mit allergrößter Aufmerksamkeit.
»Schrecklich. Sie hatte Spätschicht.«
»Du solltest dir vorsichtshalber ein Pfefferspray einstecken.«
Die Frau nickte. »Ja, vielleicht.«
»Ich kann dir auch ein Skalpell besorgen.« Der Mann lachte plötzlich.
Die Frau stimmte in sein Lachen ein.
Er erreichte die beiden. »Entschuldigen Sie, hätten Sie bitte Feuer?« Der Mann reichte ihm ein silbernes Sturm-Feuerzeug.
»Vielen Dank.« Er nahm einen Zug von der Zigarette und atmete aus. »Haben Sie schon von dem Mord gehört?«
Der Mann nickte. »Ja, schrecklich, nicht wahr? Kannten Sie die Tote?«
»Nein, ich habe nur ein berufliches Interesse an der Charité.«
»Ah, auch ein Mediziner …« Der Mann zwinkerte.
Cube entschied sich, die beiden in dem Glauben zu lassen. »Ich interessiere mich für die Chimären-Station …« Er stoppte und dachte an den Fund neben den Glasscherben. »Nein, das ist vertraulich.«
»Ach, die ausgeschriebene Stelle? Der Stellvertretende Leiter!« Der Mann lächelte und streckte die Hand aus. »Doktor Müller, Innere Medizin.«
Cube senkte die Stimme verschwörerisch. »Alles, was ich sage, ist noch absolut vertraulich. Waren Sie denn Kollegen der Toten?«
Die Frau nickte. »Ich kannte Jolanda Rost von der Station. Sie hatte hier eine Dreiviertelstelle als Krankenschwester und zusätzlich noch einen Putzjob. Sie war immer irgendwie chronisch knapp bei Kasse.«
»Wissen Sie, woher die Geldsorgen kamen?«
»Bevor sie hier angefangen hat, war sie eine Zeit lang arbeitslos und hat Schulden gemacht. Sie hat eine kranke Tochter.«
»Wer kümmert sich jetzt um das Kind?«
»Die Kleine ist im Pflegeheim. Sie hatte das Virus. Sie wissen schon. Die Große Influenza . Das Kind ist aus dem Fieberkoma nicht wieder aufgewacht …« Die Frau zuckte mit den Schultern und sah auf die Uhr. »Schon so spät. Ich muss wieder rein. Wir sehen uns noch.« Sie knuffte dem Arzt in den Arm und rannte los.
»Ich muss dann auch«, sagte Müller und drückte seine Zigarette im Standaschenbecher aus. »Wie, hatten Sie gesagt, war Ihr Name?«
»Cube.«
»Hat mich gefreut. Wann fangen Sie hier an?«
»Vermutlich morgen.«
»Ach, so schnell?«
Cube zog seinen Dienstausweis. »Vielen Dank für Ihre Informationen. Möglicherweise habe ich morgen noch ein paar Fragen an Sie.«
»Das war aber unfair«, motzte der Arzt.
»Ich weiß«, sagte Cube, zwinkerte und ging. Er hatte herausgefunden, was er wissen wollte. Die Krankenschwester hatte ein Motiv für ihren Diebstahl. Der Fund machte Sinn, wenn jemand Schulden hatte und wusste, wo sich ein zahlungskräftiger Abnehmer für das Exponat finden ließ. Nachdenklich schüttelte er den Kopf. Ein nacktes Nagetier im Glas. Trotzdem! Dieser makabre Fund würde ihn nicht weiterbringen. Er musste eine Bestie suchen.
18
Zur selben Zeit
D ie Kälte weckte ihn. Unter Schmerzen schlug er die Augen auf und sah sich um. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Schwaches Licht fiel in die zugige Holzbaracke, die aus rauen Brettern zusammengenagelt war. Auf dem Boden lag eine fleckige, gestreifte Matratze. Sonst nichts. Er rollte sich von der Matratze, kauerte sich in eine Ecke und zitterte. Warum hatte er hier geschlafen? Wie lange war er hier gewesen? Wo war er überhaupt? Seine Erinnerungen schienen
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