Lupus - Ankunft der Woelfe
Skalpell.«
»Schauen Sie nach, ob das Herz noch da ist.«
Eva hob einen Hautfetzen an der Lunge an. »Das hier ist ein Rest Pulmo an der Trachea.« Sie blickte ihn fragend an, doch er hielt ihrem Blick stand. Offensichtlich wusste er, dass sie von Lunge und Luftröhre gesprochen hatte. Also schob sie die Finger tiefer in den Brustraum. »Und hier haben wir auch das gesuchte Herz.«
»Warum fehlen so viele Stücke aus dem Bauchraum?« Sein Blick wirkte plötzlich traurig und passte nicht mehr zu der forschen Stimme.
»Ich schätze, das müssen Sie selbst herausfinden.« Eva ließ die Hände sinken. »Mehr kann ich im Moment nicht für Sie tun.«
»Bitte«, sagte der Ermittler mit eindringlicher Stimme. »Was geht Ihnen beim Anblick der Toten durch den Kopf?«
»Spontan?«
»Ja.«
»Jemand hat versucht, ihr das Herz herauszureißen? Und er wurde dabei gestört.«
»Sie glauben, es hat ihn jemand unterbrochen?«
»Das wäre möglich. Aber das müsste vielleicht ein Profiler entscheiden.«
Eva beugte sich erneut über die Leiche, hob eine Hand, spreizte die Finger und krümmte sie dann auf Höhe des Halses. »Vielleicht eine Kralle?«
»An welches Tier denken Sie?«
»Eine Raubkatze?«
»Warum kein Hund?«
»Es ist untypisch, würde ich meinen. Ein Hund beißt, er schlägt nicht mit der Pfote zu. Aber dazu müssen Sie einen Spezialisten befragen. Wir werden auf jeden Fall auf Tierspeichel und Haare untersuchen.«
»Bisher wurden am Tatort nur kurze Haare gefunden, die auf einen Hund hindeuten. Professor Steinmeier schwört Stein und Bein, eine Katze könne es nicht gewesen sein, er habe eine Allergie und hätte mit Sicherheit sofort geniest.« Cubes Stimme wurde leiser. »Könnte ein Hund an den schweren Verletzungen beteiligt gewesen sein, Frau Doktor? Es fehlen ja offensichtlich auch ein paar Stücke. Könnte also ein Hund an ihr genagt haben?« Er räusperte sich. »Aus Hunger!«
»Postmortale Verletzungen durch einen wilden Hund oder vielleicht gar einen Wolf?« Eva spürte eine Gänsehaut auf Armen und Rücken. In letzter Zeit waren die hungrigen Rudel sehr nahe an der Stadtgrenze gesichtet worden.
Cube schüttelte den Kopf. »Aber nein. Dazu sind Wölfe zu scheu. Ich meinte schon streunende Hunde.«
20
Soko, 13:10 Uhr
E r mochte das schöne alte Kripogebäude mit den Rundbogen-Fenstern. Der Steinbau mit den Figuren über dem Eingang hatte etwas Trutziges und vermittelte ihm mitten in Berlin ein wenig Heimatgefühl, denn er erinnerte ihn an seine Burg. Die neunte Mordkommission, die es erst seit einem Jahr gab, war hier untergebracht. Sie war angesichts der vielen Todesfälle während der Pandemie im letzten Winter errichtet worden und beschäftigte sich seither mit Mordfällen, die als tödliche Folge der Viruserkrankung vertuscht werden sollten. Längst waren nicht alle Fälle abgearbeitet, und der nächste Winter und damit die nächste Grippewelle standen kurz bevor. Hinzu kam: Nach der Katastrophe im letzten Winter reagierten die Menschen panisch auf jeden kleinen Schnupfen.
Cube nahm die beiden Stufen der Außentreppe mit einem Sprung, schwenkte die schwere eiserne Eingangstür auf und trat in das herrschaftlich wirkende Gebäude, zu dem die neue Tür so gar nicht passen wollte. Sie erinnerte nicht nur an beschlagene Metalltüren von Burgen, sie war sicherheitstechnisch auch so zu verstehen.
Cube desinfizierte, wie neuerdings vorgeschrieben, seine Hände am Spender, hastete die Treppe hinauf und öffnete die Glastür zum Großraumbüro. Heizungswärme und der beißende Geruch von überhitztem Lack schlugen ihm entgegen. Die alten Heizkörper waren noch nicht ausgetauscht. Doch das computertechnische Innenleben der Büros befand sich auf dem modernsten Stand.
Drei von Cubes Kollegen standen vor einer Bildschirmwand, redeten leise und schoben Fotos per Fingertipp hin und her. Sie waren so in ihre Arbeit vertieft, dass sie nicht einmal aufblickten, als er das Gemeinschaftsbüro betrat. Auf der digitalen Darstellung erkannte er mit einem Blick die umliegenden Straßen der Charité, den Park, den Plötzensee und die Containerschiffe.
Einen Moment lauschte er den Gesprächen der Kollegen, um aufzuschnappen, ob sie was Neues hätten. Sie trugen einzelne Informationsschnipsel zusammen und tauschten sich über ihre ersten Vermutungen aus. Eine achtlos weggeworfene Zigarette, eine Handyansage, der Zettel einer Reinigung, manchmal auch ein fremder Geruch. All das konnte die Fahnder auf die
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