Lust kennt kein Tabu
diesem Moment klingelte das Telefon. Da die Sprechstundenhilfe den Anruf in das Behandlungszimmer durchgestellt hatte, musste er wichtig sein.
„Entschuldigen Sie mich, Ed.“ Zienna nahm den Hörer ab. „Hallo?“
„Hey, Babe?“
Als sie Nicholas’ Stimme erkannte, stockte ihr der Atem. Warum rief er sie auf dieser Leitung an?
„Hey“, erwiderte sie leise. „Was gibt’s?“
„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Heute Morgen bist du in aller Herrgottsfrühe verschwunden. Da dachte ich, irgendwas stimmt nicht. Ich hab auch auf deinem Handy angerufen. Aber du hast dich nicht gemeldet. Bist du okay?“
„Ja, aber – kann ich später zurückrufen? Ich habe gerade einen Patienten …“
„Klar, kein Problem. Ich möchte nur deine Stimme hören und mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist.“
„Danke, das finde ich sehr nett“, erwiderte sie und hoffte um Eds willen, sie würde professionell wirken.
„Schon gut, ich hab’s begriffen. Jetzt kannst du nicht reden. Treffen wir uns heute Abend?“
„Natürlich, die Einzelheiten besprechen wir später.“
„Bis dann.“
Erfreut hängte Zienna den Hörer ein. Wie wundervoll, dass Nicholas sich um sie sorgte … Was für ein großartiger Mann … Zum ersten Mal seit langer Zeit war sie in einer Beziehung wunschlos glücklich. Wenn sie mit ihm redete, flatterten immer noch Schmetterlinge in ihrem Bauch. Das hatte sie bei anderen Dates nach der Trennung von Wendell nie verspürt.
„Gehen Sie zum Empfang, Ed. Jamie gibt Ihnen Termine für die Tests, die werden alle hier im Haus vorgenommen. Nächste Woche sehen wir uns wieder.“
„Sehr gut. Vielen Dank.“
Zienna begleitete Ed aus dem Behandlungsraum, in Gedanken bei Nicholas und ihrer Diskussion mit Alexis an diesem Morgen.
Nachdem Nicholas angerufen hatte, fühlte sie sich in ihrem Entschluss bestärkt, ihm nichts von ihrer Affäre mit Wendell zu erzählen. Sonst würde sie ihn womöglich verletzen und die Beziehung gefährden.
„Eh – hey …“
Sie drehte sich um. Erstaunt sah sie Ed in der Tür stehen. „Ja?“
„Nun, ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie nicht nur schön, sondern auch unglaublich klug sind, Miss. Ich bin so froh, dass mein Freund mir dieses Reha-Center empfohlen hat.“
„Oh.“ Das hatte Zienna nicht erwartet. „Herzlichen Dank.“
Verlegen grinste er sie an, dann winkte er ihr zu.
Als er wieder verschwand, blinzelte sie überrascht. Wollte er nur nett sein? Oder hatte er sich ein bisschen in sie verknallt?
Nicht zum ersten Mal hätte sie das Herz eines Patienten gewonnen. Sie achtete auf ihr Äußeres und lächelte oft – und so etwas gefiel den meisten Männern. Ein gewisses Berufsrisiko …
Während sie in ihrem Büro am Schreibtisch saß, erinnerte sie sich an die erste Begegnung mit Wendell vor fünf Jahren. Auch er hatte sich sofort für sie interessiert. Daraus hatten sich dann intensivere Gefühle entwickelt.
Als eine der vier Chicago Bears -Therapeuten hatte sie ihn oft beim Training gesehen, auch später, nach dem Beginn der Football-Saison. Damals war er zweiunddreißig gewesen, fast zu alt für den Profi-Sport. Aber mit seinen hervorragenden Fähigkeiten übertrumpfte er immer noch zahlreiche jüngere Spieler. Regelmäßig gehörte er zur Startformation des Teams.
Erst nach seiner Schulterverletzung hatte Zienna ihn persönlich kennengelernt. Schon bald waren sie sich nähergekommen …
Die Zerrung der Rotatorenmanschette erforderte eine wochenlange Physiotherapie, die der Cheftherapeut des Teams vornahm. Nachdem die Schulter stabilisiert war, setzte Zienna die Behandlung fort, unterstützte den Heilungsprozess und half Wendell, seine frühere Leistungskraft zurückzugewinnen.
Schon am ersten Tag hatte es zwischen ihnen geknistert. Vielleicht lag es an seinen schönen haselnussbraunen Augen, an diesem glutvollen Blick, der sie ihre sonst so professionelle Zurückhaltung vergessen ließ.
Doch das war nicht der einzige Grund, denn sie hatte Wendell schon früher bewundert. Er war der einzige Spieler im Team der Chicago Bears , der ihr gefiel. Selbstverständlich hätte sie niemals von sich aus versucht, Privates mit Beruflichem zu vermischen. Dafür bedeutete ihr der Job zu viel.
Solche Bedenken hegte er nicht. Schon nach der zweiten Behandlung bat er sie um ein Date.
Alles an ihm drängte sie, ihre professionellen Prinzipien zu vergessen. Klugerweise gehorchte sie ihren Gefühlen nicht und lehnte die Einladung höflich ab. Bei der
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