Lustig, lustig, tralalalala
ihm die Vorräte wegsaufe, vielleicht hat er auch Angst, dass ich der Aufgabe nicht gewachsen bin.
Also krempele ich die Ärmel hoch und mache mich an die Arbeit. Eine Stunde später ist Karl überzeugt, dass er mich im Old Joe allein lassen kann.
«Du machst das nicht zum ersten Mal, oder?», fragt Karl, während er mir die Schlüssel zu seiner Kneipe in die Hand drückt.
Ich schüttele den Kopf. «Richtig geraten. Ich hab mich schon einige Male mit Kellnerjobs durchschlagen müssen.»
Karl nickt anerkennend und bindet sich die Schürze ab. «Gut. Ich lass dich jetzt allein. Wir telefonieren morgen, okay?»
Ich nicke.
Karls Gesicht wird ernst, er sieht mir geradewegs in die Augen: «Du ahnst nicht, was es mir bedeutet, dass du das hier für mich tust.»
Ein wenig verunsichert winke ich ab. «Kein Problem. Frohe Weihnachten.»
«Ja. Dir auch frohe Weihnachten, Felix.»
Am nächsten Morgen fällt mir auf, dass ich
Moby Dick
in Ellis Küche vergessen habe. Ich beschließe also, dem Weihnachtsmann erneut einen Besuch abzustatten.
Das Buch ist verschwunden. Und mit ihm Ruprecht, Elli, die Elfen und Santa Claus. Ellis Küche ist leer, ebenso das Elfen-Pokerzimmer. Selbst der Schlitten ist verschwunden. Nichts erinnert mehr an meine gestrige Begegnung mit dem Weihnachtsmann und seinen Helfern.
Ratlos spaziere ich durch die leeren Räume, und dabei dämmert mir, dass ich mich festlich zum Affen gemacht habe. Ich sehe Karl schon bildlich vor mir, wenn er genüsslich zum Besten gibt, wie er mich mit etwas Pappmaché und ein paar Laiendarstellern dazu gebracht hat, kostenlos in seiner Kneipe zu malochen. Was für eine Blamage!
Ich habe große Lust, sofort ins Old Joe zu gehen, um Karl die Meinung zu geigen. Aber das macht die Sache nicht besser. Ich bin einem cleveren Kneipier auf den Leim gegangen. Ich habe mir tatsächlich weismachen lassen, dass es den Weihnachtsmann gibt. Das kann man nicht rückgängig machen. Mir bleibt nur, diese Schmach mit Würde zu ertragen.
Es ist der erste Weihnachtstag. Die meisten Läden sind geschlossen. Erst nach längerem Suchen finde ich ein Stehcafé, das geöffnet hat.
«Und? Wie war Weihnachten?», fragt die gepiercte Verkäuferin, während sie mir einen Kaffee zubereitet.
Ich zucke schicksalsergeben mit den Schultern.
«Genau!», setzt sie nach. «Alles falscher Zauber! Es geht nur ums Geld. Aber die meisten Leute wollen das einfach nicht wahrhaben.»
Ich stutze, denn sie liefert mir, ohne es zu wissen, die Lösung für mein Problem. Und die besteht darin, dass ich behaupte, den falschen Zauber von Anfang an durchschaut zu haben. Ich werde also auch die kommenden beiden Tage bei Karl Dienst schieben, und wenn er endlich damit rausrückt, dass er mich gefoppt hat, behaupte ich souverän, dass ich ihm keineswegs auf den Leim gegangen bin. Ich werde sagen, ich hätte Karl nur den Spaß nicht verderben wollen und Weihnachten ohnehin nichts Besseres vorgehabt. Brillanter Plan. Bleibt mir nur noch, den Weihnachtsbesuch bei meiner Mutter zu koordinieren.
«Aber Schatz! Wir sind doch Heiligabend verabredet!»
Ich habe schon wieder einen ihrer nicht so hellen Tage erwischt.
«Und wann ist Heiligabend nochmal?», taste ich mich vor.
«Übermorgen!», lacht sie. «Vergiss das bloß nicht! Ich freu mich auf dich!»
«Ich freu mich auch, Mutter.»
Zumindest in dieser Hinsicht hat Ruprecht tatsächlich recht behalten. Ich kann mich also an den Weihnachtstagen ganz auf meinen Kneipenjob konzentrieren. Bester Laune trete ich den Weg zum Old Joe an.
Karl schwärmt von einem wunderschönen Heiligabend im Kreise der Familie und bedankt sich erneut für meine Hilfe.
«Also, wenn du heute was anderes vorhast …», beginnt er.
«Nein. Hab ich nicht», erwidere ich entspannt. «Meinetwegen kannst du auch morgen ganz zu Hause bleiben. Ich krieg das hier schon hin.»
Er nickt ernst. «Okay», sagt er dann. «Ich schulde dir was.»
«Dafür nicht», lächele ich und freue mich schon auf sein Gesicht, wenn ich ihm sage, dass ich seinen Schwindel längst durchschaut habe.
Seltsamerweise sagt Karl nichts dergleichen. Als ich am Tag nach Weihnachten bei ihm vorbeischaue, um ihm die Schlüssel zurückzugeben, macht er einen glücklichen und aufgeräumten Eindruck, erwähnt aber seine Weihnachtsinszenierung mit keinem Wort.
Auf dem Weg zu Mutters Altenheim komme ich zu dem Schluss, dass Karl die Sache auf sich beruhen lassen wird. Er hat, was er wollte, nämlich ein paar freie Tage. Da
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