Lustvolles Erwachen
Bild war geblieben: das Bild, wie die Sonnenstrahlen durch die Zweige der Bäume im Parc Royale von Brüssel gefallen waren und Diccan wärmten, als er die Hand mitfühlend auf ihren Arm gelegt hatte. Der Rubin in seinem Siegelring hatte im Licht gefunkelt. Es war das erste Mal gewesen, dass er sie bewusst berührt hatte – mehr als die Berührung der Hände bei der Begrüßung oder ein zufälliges Streifen im Vorübergehen. An dem Tag hatte er sie im Park bemerkt und war zu ihr gekommen. Der rätselhafteste Mann der gesamten feinen Gesellschaft hatte gelächelt, als er ihr erzählt hatte, was für ein guter Mensch ihr Vater gewesen war. Damals war ihr aufgefallen, dass diese kühlen grauen Augen auch freundlich blicken konnten.
Wieder betrachtete sie die Flasche. Sie hatte Jack gehört, aber Kate hatte sie ungeniert an sich genommen. Einen verrückten Moment lang spielte Grace mit dem Gedanken, ihrer Freundin die Flasche aus der Hand zu reißen und sie zu leeren.
»Kannst du es nicht vielleicht doch ermöglichen, ihn zu heiraten?«, fragte Kate.
»Nein«, antwortete Grace. »Und er will es auch gar nicht.« Sie widmete sich wieder ihrem Koffer. Versonnen nahm sie die alte rote Gardistenuniformjacke, die sie in dem vom Krieg erschütterten Spanien ständig getragen hatte. Sie wusste, dass sie sie eigentlich wegpacken sollte – genau wie die Uniformen ihres Vaters und ihre Schwesternschürze. Aber es tröstete sie, diese Jacke zu tragen, wenn sie ausritt. Und in ihr wuchs der Verdacht, dass sie diesen Trost in den kommenden Tagen gut brauchen könnte.
Ohne zu klopfen, schob Diccan Hilliard die Tür auf und stolzierte ins Zimmer. »Wir müssen uns unterhalten.«
»Bist du dir sicher, dass du noch immer im diplomatischen Dienst stehst?«, fragte Kate.
Er schnaubte empört. »Ich habe jetzt keine Zeit für Diplomatie, Kate. Ich muss so schnell wie möglich nach London. Und jede Sekunde, die Miss Fairchild zaudert, wirft mich in meinem Zeitplan zurück.«
Grace hielt die Uniformjacke so fest umklammert, dass sie wusste, dass die Litzen Abdrücke in ihren Händen hinterlassen würden. Sie konnte es kaum ertragen, der Wut in seinem Blick zu begegnen. »Ich weiß nicht, was Sie noch hier hält, Mr. Hilliard«, sagte sie und bemühte sich, ihre Stimme möglichst ruhig klingen zu lassen. »Ich bin es ganz sicher nicht.«
Kate bot wieder ihre Flasche an. »Möchtest du einen Schluck, Diccan?«
Mit einem ungeduldigen Blick zu Kate trat Diccan zu Grace. »Sie verwirren mich, Miss Fairchild«, sagte er. Doch er hörte sich eher zornig als verwirrt an. »Sicherlich kennen Sie den Lauf der Dinge.«
Er war ihr viel zu nahe. Grace wich zurück und stieß versehentlich gegen das Bett. Sie hatte das Gefühl, dass er die Luft aus dem Raum stahl. Ihr blieb nur, sich mit der vertrauten Jacke in ihren Armen zu trösten.
»Genauso wie Sie, Sir«, entgegnete sie mit, wie sie fand, bewundernswerter Ruhe.
»Vielleicht ist Ihnen nicht klar, wie sehr Sie von dieser Ehe profitieren würden«, sagte er. In seiner Stimme schwang ein Hauch von Herablassung mit.
Sofort reagierte ihr Körper. Hitze blühte tief in ihrem Bauch auf und wand sich durch ihre Glieder. Sie wusste sehr wohl, was sie durch diese Verbindung gewinnen konnte – es loderte in ihr. Und dennoch reichte das nicht.
»Ich gewinne nichts, das ich mir wünsche, Mr. Hilliard.«
Er wirkte erstaunt. »Einen stolzen Namen.«
»Ich bin sehr zufrieden mit meinem eigenen Namen.«
»Ein Vermögen.«
»Ich habe bereits eines, vielen Dank. Eine exzentrische Tante von mir ist verstorben und hat ihren Besitz zwischen mir und ihrem Affen aufgeteilt. Sie sehen also, dass es andere Menschen gibt, die mich schätzen.«
Ironisch zog er eine Augenbraue hoch. »Sie bekämen mich.«
Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, lächeln zu müssen, auch wenn ihr Herz hämmerte. »Eine fast unwiderstehliche Versuchung – das steht fest. Und trotzdem muss ich ablehnen.«
»Ihr Ruf wird ruiniert sein!«
Abschätzend legte sie den Kopf schräg. »Ist es ein Unglück, von einer Gesellschaft ignoriert zu werden, die mich sowieso schon immer ignoriert hat? Oder wäre es schlimmer, mich für alle Ewigkeit an einen Mann zu binden, der mich nicht einmal ansehen kann? Lassen Sie es gut sein, Sir. Ich bin zufrieden. Sie müssen sich nicht auf dem Altar der Ehe opfern, um mich zu retten.«
Er wirkte seltsam verärgert, während er ihrer Antwort lauschte. »Und was ist mit mir?«
Sie zwang sich zu
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