Lustvolles Erwachen
auf seine Krawatte tropfte. Miss Fairchild hatte ihr Leben nicht beim Militär verbracht, ohne zu lernen, wie man zuschlug.
Kate stand ebenfalls auf. »Nun ja«, sagte sie und klang verdächtig belustigt, als sie ihr hellgelbes Kleid glatt strich. »Jetzt verstehe ich, warum du als der charmanteste Mann Englands giltst.«
Diccan wusste, dass er eigentlich kein Recht dazu hatte, doch er fühlte sich gekränkt. »Ich werde sie heiraten, Kate. Was willst du noch?«
Sie warf ihm einen traurigen Blick zu. »Höflichkeit wäre ein guter Anfang.« Damit ging auch sie.
Diccan stand noch immer mitten im Salon, als die Bedienstete endlich kam. Er ließ sich wieder in seinen Sessel sinken und stützte den Kopf in die Hände. »Kaffee«, knurrte er. »Und schauen Sie nach, ob Sie vielleicht noch etwas Gift finden.«
Kapitel 2
Grace legte gerade ihre Kleider zusammen und packte sie in ihren Handkoffer, als Kate ins Zimmer geschlendert kam.
»Darf ich hereinkommen?«, fragte sie und schloss die Tür hinter sich.
Grace machte sich nicht die Mühe hochzusehen. »Sofern du niemanden mitgebracht hast.«
Kate lachte. »Ich glaube, er ist noch unten und prüft, ob seine Nase in Ordnung ist.« Ehe Grace etwas darauf erwidern konnte, hob sie die Hand. »Und wage es nicht, dich zu entschuldigen. Ich kenne diesen Taugenichts seit meiner Taufe, und ich habe noch nie gesehen, dass er eine Situation so vermasselt hat wie diese. Wenn wir hier nicht über ihn sprechen würden, hätte ich gesagt, er war vollkommen durcheinander.«
»Ich glaube, das war er«, entgegnete Grace und schüttelte ihr graues Abendkleid aus moiriertem Stoff aus. »Ich denke, sich im Bett mit einer unattraktiven Frau wie mir wiederzufinden, war das Letzte, was er erwartet hätte.«
»Grace«, warnte Kate sie und setzte sich in den Sessel am Fenster, »das ist deiner nicht würdig.«
So unglücklich sie sich auch fühlte, musste Grace lächeln. »Liebste Kate«, sagte sie und strich die triste Seide glatt, »ich habe nicht nach Mitgefühl gesucht. Ich weiß sehr wohl, wer ich bin. Und wer ich nicht bin. Und ich bin definitiv keine Frau, die Diccan Hilliard bemerkt hätte, wenn er mich nicht zufällig bei einer deiner Gesellschaften getroffen hätte.«
»Er mag dich sehr«, widersprach ihre Freundin.
»Natürlich tut er das. So gern, dass er den Hut lupfen würde, wenn er mir auf der Straße begegnen würde. Aber nicht so gern, um mit mir ins Bett zu gehen.«
Als sie spürte, wie sie wieder errötete, beschloss sie, dass sie es satthatte, sich immer unwohl zu fühlen. Doch das Gefühl seiner Hand auf ihrer Haut war so wundervoll gewesen …
»Hier«, sagte Kate, als hätte sie den Aufruhr in Grace’ Kopf mitbekommen, »ein winziger Schluck sollte gestattet sein.«
Grace blickte auf und sah eine kleine, ziselierte Silberflasche in Kates Hand. »Hast du die Flasche noch immer?«
Kate warf ihr ein schelmisches Lächeln zu. »O ja. Ich gebe nichts auf, das ich von einem Freund gestohlen habe.«
Der bloße Anblick der Flasche löste eine Welle von Erinnerungen in Grace aus. Sie erinnerte sich an die grauenvollen Tage bei Waterloo, an die Suche nach ihrem Vater, an das Auffinden von Jack Wyndham, Earl of Gracechurch, der um sein Leben gekämpft hatte. Sie erinnerte sich an die darauffolgenden Tage, als eine Gruppe von Vaterlandsverrätern die Frauen bedrohte, die ihn versteckt hatten. Diccan Hilliard hatte geholfen, sie alle zu retten.
Dadurch waren Grace die Augen für ihn geöffnet worden. Bis zu dem Zeitpunkt hatte sie in ihm nichts weiter als einen gleichgültigen Genussmenschen gesehen. Sehr geistreich, vernichtend sarkastisch und ganz offen der Lust und dem Laster ergeben, war selbst seine Stellung im diplomatischen Korps nicht mehr als eine Entschuldigung, um Zerstreuung zu finden. Aber als sie ihn um Hilfe gebeten hatten, war er nicht nur tüchtig und diskret gewesen, er hatte Grace auch mit der ungewöhnlich liebevollen Fürsorge überrascht, mit der er sich um Jacks verzweifelte Frau Olivia gekümmert hatte. Mehr noch – für einen erstaunlichen Moment hatte der Mann, den man nur »die Perfektion« nannte, sich gegenüber Grace, der unbeholfenen Tochter eines alten Soldaten, absolut freundschaftlich gezeigt.
Diese Tage und Wochen nach der Schlacht von Waterloo waren ihr nur noch verschwommen in Erinnerung. Vor allem, nachdem sie ihren sterbenden Vater auf dem blutgetränkten Kopfsteinpflaster im Hof von Château Hougoumont gefunden hatte. Doch ein
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