Lustvolles Erwachen
einem Lächeln. »Nachdem ich bei Lady Kates Gesellschaften Zeit mit Ihnen verbracht habe, bin ich mir sicher, dass Sie bestimmt erleichtert über meine Absage sind. Genießen Sie diese Erleichterung – meinen Segen haben Sie.«
Obwohl sich ihr Herz vor Scham zusammenzog, weil sie so unverblümt die Wahrheit verkündet hatte, wandte Grace sich wieder ihrem Koffer zu. Sie hoffte, dass niemand bemerkte, wie sehr sie zitterte. War sie eine Närrin? Sie könnte ihr Leben an der Seite dieses Mannes verbringen. Sie könnte seine Kinder bekommen. Sie könnte ihn jeden Tag sehen und ihn lehren, sein Glück bei ihr zu finden. Bei allem, was ihr heilig war – sie könnte ihn in ihrem Bett haben.
Und dann zusehen, wie er in jedes andere Bett in diesem Königreich stieg.
Grace besaß nicht viel. Aber sie hatte Selbstachtung. Sie würde sich selbst betrügen, wenn sie sich für einen so unaufrichtigen Trost hergab. Auch nicht für das Recht, diese eleganten, klugen Hände auf sich spüren zu dürfen.
Sie wusste, dass er noch immer hinter ihr stand. Noch nie hatte sie sich mit ihm in einem Raum befinden können, ohne ihn zu bemerken. Sie konnte es spüren. Es war wie ein Kribbeln auf ihrer Haut, wie eine magnetische Anziehung zwischen ihnen beiden, die nun, nachdem er sie berührt hatte, noch stärker zu sein schien. In der Hoffnung, dass er niemals merken würde, welche Wirkung er auf sie hatte, nahm sie ein Kleid in die Hände und legte es zusammen. Allein diese Routine hinderte sie daran wegzurennen. Oder noch schlimmer: ihn zu bitten, ihren Widerspruch einfach nicht zu beachten und sie kurzerhand zu heiraten.
»Miss Fairchild«, warnte er sie. Seine Stimme klang tiefer, strenger. Es war nicht mehr der weiche Tonfall des Dandys. Es war eher der Tonfall eines Mannes, der schon mehrere Duelle ausgefochten hatte. »Sie haben keine Familie, die Sie beschützt.«
Sie erstarrte. »Tatsächlich habe ich die sehr wohl.«
Kate warf ihm ein flüchtiges Lächeln zu. »Sie ist mit der Hälfte der großen Häuser Britanniens verwandt«, sagte sie. »Die Familie Hilliard eingeschlossen.«
Grace zuckte mit den Schultern. »Meine Großmutter war eine Cavendish.«
»Ich spreche von der engsten Familie. Nicht Cousins dritten oder vierten Grades.«
Für einen Moment blickte Grace auf. »Es gibt Onkel Dawes. Er ist General der Husaren.«
Das schien Eindruck auf Diccan zu machen. »General Wilfred Dawes? Der Held von Tarrytown?«
Sie gestattete sich ein Lächeln. »Ja, genau. Er wird mir ganz sicher zur Seite stehen.«
»Er wird Sie auf den Strich schicken.«
»Ach, hör auf, Diccan«, schimpfte Kate und wedelte mit der Hand, als wäre er eine lästige Mücke. »Irgendwo zwischen Brüssel und Canterbury scheinst du deine Sprachgewandtheit eingebüßt zu haben. Bevor du die nicht wiederbekommen hast, bist du nicht gerade von Nutzen.«
»Du verstehst nicht, Kate«, beharrte er, »ich habe keine Zeit zu verlieren.«
Kate reagierte nicht. Grace hatte Angst, dass die beiden wortlos miteinander kommunizierten und ohne Zweifel eine Verschwörung gegen sie ausheckten. Es war egal. Ihr war zu bewusst, wie das Leben an der Seite von Diccan aussehen würde, um ihre Meinung noch einmal zu ändern.
Tatsächlich seufzte sie erleichtert auf, als Diccan die Tür aufmachte und hinausging. Wahrscheinlich hätte sie ihm nicht mehr lange widerstehen können.
»Nicht dein Ruf wird ruiniert«, sagte Kate zu Grace, als die Tür ins Schloss gefallen war.
Grace hielt inne. Die Stille im Raum hallte in ihren Ohren wider. Sie konnte es nicht ertragen, ihre Freundin anzusehen. »Es tut mir leid.«
Kate sprach mit sanfter Stimme weiter. »Vor zwölf Jahren bot Diccan seinem Vater die Stirn, als er sich weigerte, die Priesterweihe zu empfangen. Wenn du den Bischof kennenlernst, wirst du verstehen, wie mutig diese Entscheidung war. Umgehend hat er sich von Diccan losgesagt und bisher keinen Schritt auf seinen Sohn zu gemacht. Doch Diccan hat durch seine Redegewandtheit eine Stellung im diplomatischen Korps ergattert – eine ganz einfache Stellung auf niedrigster Stufe. Er behauptet, dass er diese Stelle angenommen hat, um von seinen Eltern unabhängig zu sein. Ich glaube, dass er sie angenommen hat, um selbstständig sein zu können. Und das ist ihm gelungen. Aber seine Karriere hängt von seinem guten Ruf ab.«
Grace’ Herz fing an, beinahe schmerzhaft zu pochen. Irgend wie hatte sie wieder die Uniformjacke in den Händen. Sie drückte sie an ihre
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