Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
hierher zurückkehren. Die junge Vampirin stieg ohne zu zögern in den Sarg, die kleine Phiole fest in der einen Hand. Der Halbengel trat hinzu, ergriff die andere Hand und drückte sie tröstend. „Schlaf gut, mein Kind“, hörte Ayleen Knight die Stimme ihres Vaters in ihren Gedanken, während sich ihr Herzschlag verlangsamte und sie hinüberglitt in einen unendlich tiefen Schlummer. Das war der Moment, in dem die Existenz eines Vampirs angehalten wurde wie ein Film. Die letzte Szene, der letzte Gedanke, die Zeit gefror in seinen Adern.
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Der Atlanter schob den schweren steinernen Deckel über das Grabbehältnis, das sich nun äußerlich nicht mehr von den anderen sieben geschlossenen Sarkophagen unterschied. Das war alles, was er noch tun konnte. Insgeheim war er stolz auf seine Tochter, dass sie so ohne weiteres dieses Los auf sich genommen hatte, ja, sogar bereit gewesen war, eher zu sterben, als selbst zu einem Schrecken für die Menschheit zu werden oder gar etwas Schreckliches in die Welt zu setzen. Das unterschied sie ganz gewaltig von dem Charakter ihrer Mutter! Ja, Leander Knight war unglaublich stolz auf seine Tochter. Aber innerlich weinte der Halbengel. Es war tröstlich, dass er zumindest jederzeit hierher zurückkehren konnte. Dennoch fühlte er sich unendlich einsam, nachdem er zuvor auch seinen Freund Jason an die Sterblichkeit verloren hatte und, der sich vielleicht nie wieder an ihn – Leander – erinnern würde.
Nach seiner Rückkehr kam dem Halbengel das Haus plötzlich schrecklich leer vor, trotz der alltäglichen Routinearbeiten um ihn herum. Ayleens Anwesenheit war wie ein Sonnenstrahl gewesen. Eine Sonne, die sich plötzlich verdunkelt hatte. Aber jetzt galt es, noch Schlimmeres zu verhindern.
Am nächsten Morgen brachte Lucia, die Haushälterin, ihm den Kaffee ins Arbeitszimmer. Die Tageszeitung hatte sie gleich mit aufs Tablett gelegt. Leander murmelte ein kurzes „Danke“. Die ganze Nacht hatte er hier verbracht. Vor ihm stapelten sich alte Folianten und Bücher. Er saß vornübergebeugt über einigen Dokumenten und resümierte alles, was er über die alten Meister wusste. Vor ihm lag unter anderem auch die Liste der Seelenlosen, anhand derer er die Namen rekapitulieren wollte, die Xavier wieder erweckt hatte. Doch das war nicht einfach. Allein die beiden Namen, die er hatte entziffern können, konnten schon genug Grauen verbreiten. So konnte er nur diejenigen von der Liste streichen, die er persönlich gekannt hatte und identifizieren konnte. Blieben immer noch über hundert Namen übrig. Ihm wurde klar, dass er jeden einzelnen würde aufspüren müssen. Aber wie? Er konnte ihre Existenz wahrnehmen, sie jedoch nicht lokalisieren. Mit keinem Vampir war er je so eng verbunden gewesen wie mit Jason Dawn. Man konnte es spöttischerweise eine Art Blutsverwandtschaft nennen. Mit einer zornigen Handbewegung fegte er die losen Papiere vor sich vom Tisch. Er gab es auf und machte eine kurze Pause, um sich einen Kaffee einzugießen und mit der Zeitung abzulenken.
Das übliche menschliche Chaos, dachte er beim Überfliegen der fettgedruckten Schlagzeigen. Ein eher kleinerer Artikel ließ ihn dann stutzig werden. Zwei Tote wurden in einer kleinen Kapelle außerhalb Roms gefunden. Scheinbar Obdachlose, die dort Zuflucht gesucht hatten. Offenbar waren sie sich gegenseitig betrunken an die Kehle gegangen. Man fand zersplitterte Weinflaschen und aufgerissene Kehlen.
Es hat begonnen. Aber wieso in einer Kirche? Die alten Fürsten haben alle Kirchen und Kreuzformationen doch früher gemieden wie die Pest? Keiner der Alten ist je vorher wieder erweckt worden, woher können wir also sicher sein, was sie bei ihrer erneuten Existenz können oder nicht können?
Er fiel erneut ins Grübeln. Langsam begann Leander zu begreifen. Die Wiedererweckung hatte sie nicht nur geschwächt, sondern ihnen auch neue Möglichkeiten verliehen. Die Natur glich immer alles aus, das war Gottes Gesetz und es galt sogar für das Böse, das Unheilige. Seine Gesetze kannten eben keine Unterschiede! Deshalb war ihr Erwachen auch kaum im mentalen Netz der Vampirwelt bemerkt worden, es war einfach zu schwach gewesen. Sie kamen wie ein schleichendes Gift erneut in diese Welt mit dem gesamten Erinnerungsvermögen aus Jahrhunderten. Aber noch waren sie nicht vollkommen angepasst an die Moderne, an die Technik, den Fortschritt. Noch gab es eine Chance, sie erneut zu vernichten. Aber dazu brauchte
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