Luzifer
mich zu Scotland Yard«, sagte Mandra Korab…
***
Ihr Schrei war fürchterlich. Er schmerzte in ihren Ohren und wollte kaum ein Ende nehmen.
Eine Tür flog auf, und die schrille Stimme schaffte es kaum, den Schrei zu übertönen.
»Himmel, Jane, was ist passiert?«
Der Schrei endete in einem saugenden Geräusch, als Jane Collins Atem holte. Unbeweglich blieb sie liegen. Die Augen hatte sie geöffnet und starrte in die Dunkelheit, gegen die Schatten, auf den Toten, der ihr Freund John Sinclair war.
Nichts davon stimmte.
Jane Collins sah über sich die Decke ihres Zimmers, die vom hellen Tageslicht berührt wurde, das durch das Fenster drang und, spürte genau, wie neben ihr die Matratze Druck bekam, als die Person, die ins Zimmer gestürzt war, sich niederließ.
Es war Sarah Goldwyn, auch Horror-Oma genannt, weil sie ohne Grusel, Gänsehaut und Horror nicht leben konnte. Jane Collins, die ehemalige Hexe, wohnte seit einiger Zeit in Mrs. Goldwyns Haus, und die beiden Frauen verstanden sich prächtig.
Sie atmete heftig, denn sie war unten im Haus gewesen, als sie das fürchterliche Schreien hörte. In ihrem Alter kam man leicht außer Atem, wenn man eine steile Holztreppe hochrannte.
Besorgt blickte sie die liegende Jane Collins an. »Meine Güte, Kind, was hast du?«
»Ich… ich…« Jane fand kaum Worte.
»Du hast geträumt?«
»Ja!« stieß sie hervor.
»War es schlimm?«
»Furchtbar«, flüsterte Jane. »Es war ein schrecklicher Alptraum. Ich… ich habe so etwas noch nie erlebt.«
Lady Sarah strich mit der Hand über Janes schweißfeuchtes Gesicht. Die junge Frau lag ausgestreckt unter der Bettdecke, nur ihr Kopf schaute hervor. In den weit geöffneten Augen schimmerten Tränen.
»Beruhige dich, Jane, bitte. Es war nur ein Traum, glaub es mir.«
»Das weiß ich, Sarah. Aber er war so real, so schrecklich real. Ich habe alles deutlich erlebt.«
»Willst du darüber reden?«
Sie deutete im Liegen ein Nicken an. »Ja, ich glaube, es ist besser, wenn ich es tue.«
»Ich höre dir zu.«
Jane Collins begann zu erzählen. Sie sprach mit einer sehr leisen Stimme, und Lady Sarah mußte schon genau hinhören, um sie überhaupt verstehen zu können.
Sie regte sich während der Erzählung auf. Wieder schwitzte sie stark, ihre Lippen zitterten, und manchmal drangen die Worte nur stoßweise aus dem Mund.
»Ich habe zugestochen, Sarah. Ich habe einfach zugestochen und das Messer in seinen Körper gerammt. Ich… ich habe John Sinclair getötet.«
»Nein, Jane, das hast du nicht.« Sarah versuchte zu lächeln. »Es war ein Traum, glaub es mir.«
»Es war der Schrecken. Ich habe furchtbare Angst davor, daß er sich wiederholen kann.«
»Das wird man sehen.«
»Ein furchtbarer Tag«, hauchte Jane. »Es ist ein furchtbarer Tag heute. Dabei scheint die Sonne.«
»Vielleicht liegt es gerade daran.«
»Wie meinst du das?«
Lady Sarah hob die Schultern und schaute gegen das Fenster, wo sich zwischen den Gardinen eine Lücke auftat. »Es kann das Wetter sein, das so schlimm ist. Die Wärme paßt einfach nicht zu uns Menschen, nicht zu dieser frühen Jahreszeit. Sie nimmt uns ein, sie ist wie ein Kerker, der uns gefangenhält…«
»Ja, das weiß ich alles. Ich bilde es mir jedenfalls ein. Trotzdem habe ich eine fürchterliche Angst. Wieso habe gerade ich John Sinclair erstochen? Sag es mir bitte.«
»Du stehst ihm nahe, Kind. Es ist klar, daß in Träumen diejenigen Personen vorkommen, mit denen du dich am meisten beschäftigt hast. So etwas ist normal.«
»Aber nicht mit dieser Intensität. Hinzu kommt noch die Umgebung. Das war dieser lange, nebelerfüllte Gang, der erst vor der Tür endete, die sich plötzlich öffnete. Ich weiß gar nicht, ob ich in einen Raum geschaut habe oder ob es das All gewesen ist. Ich hörte ja die Stimmen, die singenden Schatten und…«
»Die Phantasie spielt uns oft genug einen Streich, Mädchen. Sieh es bitte nicht so eng.«
»Vielleicht würdest du anders reden, wenn du den Traum erlebt hättest. Er war jedenfalls schrecklich.«
»Willst du mit John darüber reden?«
»Natürlich, denn ich bin fest davon überzeugt, daß er eine tiefere Bedeutung hatte. Ich komme mittlerweile zu dem Entschluß, daß sich hier etwas anbahnt, von dem wir bisher noch nichts wissen. Irgendwas liegt in der Luft, es umklammert uns und treibt uns eine schreckliche Furcht in die Knochen.«
»Eine Bedrohung?«
»Ja — nur…«
Lady Sarah nickte. »Willst du noch liegenbleiben und dich
Weitere Kostenlose Bücher