Luzifer
und ich!
Aber er besaß mehr Macht als alle Dämonen, gegen die ich in meinem Leben gekämpft hatte, zusammen.
Ich wunderte mich, daß ich noch keine Todesangst spürte. Es wäre normal gewesen, wenn dieses kaum zu beschreibende Gefühl mich überfallen und mich fast in den Wahnsinn getrieben hätte. Das Gegenteil war der Fall. Nahezu gelassen schaute ich Jane Collins entgegen, die sich nur mehr eine Körperlänge von mir entfernt befand. Sollte Luzifers Macht dafür gesorgt haben, daß die Todesangst nicht in mir hochstieg? Wollte er, daß ich alles genau mi terlebte, oder würde sie später kommen? Mein Blick traf das Messer!
Aus dem Griff wuchs eine breite, wahrscheinlich beidseitig geschliffene Klinge, die vorn sehr spitz zulief. Schon einmal hatte Jane das Grauen erlebt, war aus ihrem Traum mit blutbeschmierten Händen und Armen erwacht, denn das verstand Luzifer ebenfalls. Einem Menschen die später wahr werdenden Alpträume zu schicken.
Jane stoppte ihre Schritte.
Ihr Gesicht befand sich etwas unter dem meinen. Wenn ich sie anschauen wollte, mußte ich den Blick senken. Wie gemeißelt wirkten ihre Züge. Die Augen waren ohne Leben. Starre Pupillen lagen in den Höhlen, eine Farbe konnte ich nicht in ihnen erkennen. Es lag womöglich auch an dem grauen Licht, das über ihr Gesicht floß. Noch wies die Spitze der Klinge in die Tiefe. Luzifer ließ sich Zeit, er besaß ja die Zeit der Ewigkeit. Ihm konnte nichts passieren. Er war, er würde sein, und er konnte es sich erlauben, mit seinen Feinden zu spielen.
Jane Collins bewegte ihre Lippen. Ich hörte kaum, daß sie meinen Namen aussprach, ich las es mehr von ihrem Mund ab und sah in den Augen einen ungemein traurigen Ausdruck.
Im Rücken spürte ich den Druck der beiden Dreiecke. Jedes sich dort befindliche Symbol wollte sich durch die Kleidung pressen, um auf der Haut eine Erinnerung zu hinterlassen. Der Eindruck, daß sich die Zeichen verschoben, daß sie lebten, wollte nicht weichen. Ich versuchte auch, die Glieder zu bewegen. Erfolglos, leider. Weder meine Arme noch die Beine rührten sich auch nur um einen Millimeter. Die verfluchte magische Fessel des Luzifer hielt.
»Ich weiß, daß du es nicht tun willst, Jane«, flüsterte ich ihr zu. »Ich kann dir auch keinen Vorwurf machen. Ich weiß nicht, was mich erwarten wird, ich sehe auch keine Chance mehr, aber ich möchte dir sagen, daß die Zeit, die wir verbracht haben, schön gewesen ist, trotz der grausamen Vorfälle, die manchmal zwischen uns gestanden haben.«
Sie nickte. In diesen Augenblicken war sie sehr tapfer. Was sie tun sollte, mußte einfach über ihre Kraft gehen. Da würden die Nerven eines jeden Menschen versagen. Ich wunderte mich schon darüber, daß sie so relativ ruhig blieb.
Es fiel ihr schwer, einen Satz zum Abschied zu sprechen. Jane redete wie ein kleines Kind, das von seinen Eltern erst kurz zuvor das Sprechen gelernt hatte. »Wenn… wenn ich es hinter mir habe, John, wird auch meine Existenz nicht mehr so sein wie zuvor. Ich weiß, daß ich ebenfalls auf die lange Reise gehen werde. Ich werde hineinfallen in das Nichts. Es wird niemand dort sein, der mich auffängt. Ich werde nicht die Chance bekommen wie die meisten Menschen. Luzifer wartet, um auch mich vernichten zu können.«
»Das stimmt«, hörten wir beide seine gefährlichkalte Stimme. »Nichts wird nach deinem Tod mehr so sein wie sonst. Mit dir mache ich den Anfang, andere werden folgen, Jane Collins, deine anderen Freunde. Das Team um John Sinclair wird es ebensowenig geben wie ihn selbst.«
Ich verdrehte die Augen, um schräg in die Höhe schauen zu können, wo ich sein Gesicht erkannte.
Die blaue Fratze stand unbeweglich. Der kalte Glanz war weder aus seinen Augen noch von seinen Gesichtszügen gewichen. Er blieb dort wie eingemeißelt.
Das Gesicht zeigte keine Gefühle. Ich wußte nicht, ob er triumphierte, sich freute oder sich darüber ärgerte, daß ich es in der Vergangenheit geschafft hatte, der Hölle dermaßen viele Niederlagen beizubringen. Dieses Gesicht war einfach gefühllos. Er hatte bestimmt, daß wir lange genug voneinander Abschied genommen hatten, denn Jane Collins bekam den Befehl, endlich etwas zu unternehmen.
Sie bewegte ihre Hand.
Nein, es war nicht die rechte, in der sie das Messer hielt. Nahezu bedächtig hob sie den linken Arm an und spreizte dabei die Finger, als wollte sie etwas umfassen.
Mein Blick glitt ebenfalls nach links, ich mußte dieser Bewegung einfach folgen.
»Das
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