Luzifers Hammer
fuhren an parkenden Wagen vorbei. Einer der Fahrer hechtete vor den Kühler des Blazer und winkte, um ihn anzuhalten. Er hatte kein Hemd an, aber eine Pistole in der Hand. Eileen fuhr direkt auf ihn zu, so daß er seitlich wegtauchen mußte, dann beschleunigte sie.
Man hörte Schüsse und das Splittern von Glas. Tim blickte erstaunt auf das saubere runde Loch in der hinteren Scheibe und auf die Öffnung im Dach, wo das Geschoß wieder ausgetreten war. Durch das Loch drang Regenwasser und tropfte zwischen ihnen herunter. Eileen ließ den Motor aufheulen, fegte durch eine Kurve ohne zu bremsen, wobei sich der Wagen federleicht anfühlte wie ein großer Schlitten. Sie riß das Steuer herum, bremste bei der nächsten Kurve und beschleunigte wieder. Tim versuchte zu lachen. »Mein neuer Wagen.«
»Halt den Mund!« Sie lehnte sich über das Steuer.
»Alles in Ordnung?«
»Nein.«
»Eileen!«
»Ich bin nicht verletzt. Mir ist nur der Schreck in die Glieder gefahren. Ich habe das große Zittern gekriegt.«
»Ich auch«, gestand er, aber er spürte, wie die Wellen der Erleichterung über ihn hinwegspülten. Da war dieser kleine Moment, dieser kurze Augenblick, als er meinte, sie wäre getroffen.
Es war der schrecklichste Augenblick seines Lebens. Nun berührte ihn das irgendwie merkwürdig, denn er hatte sie nicht mehr gesehen, seit sie seinen Antrag abgelehnt hatte. Natürlich nicht. Auch er hatte seinen Stolz …
»Tim, da vorne sind Brücken, und wir nähern uns der Kluft! Die Straße könnte zerstört sein«, rief sie.
»Da können wir nichts machen.«
»Nein, wir können nicht umkehren.« Sie verlangsamte das Tempo vor einer weiteren Kurve und beschleunigte dann wieder.
Sie umklammerte immer noch fest das Steuer. Sie würde einen Unfall bauen, wenn sie sich nicht bald beruhigte, und er wußte nicht, was er dagegen tun sollte. Die Straße war jetzt morastig und glitschig, und schließlich mußte Eileen im Schritttempo fahren. Einmal brauchten sie eine geschlagene halbe Stunde, um zwanzig Meter weiterzukommen.
Wenn sie jetzt einen freien Straßenabschnitt erreichten, wünschte sich Tim, sie würde schneller fahren. Doch sie tat es nicht. Sie fuhr dauernd im ersten oder zweiten Gang und niemals schneller als 20 Meilen in der Stunde, selbst wenn im Scheinwerferlicht lange freie Strecken auftauchten.
Sie fuhren endlos weiter, und schließlich stopfte Tim sein Taschentuch in das Loch im Wagendach.
Tims Armbanduhr zeigte 20.00 Uhr, die Zeit der Abenddämmerung für Los Angeles im Juni, doch draußen war es schwarz wie Tinte. Zwischendurch regnete es. Die Scheibenwischer des Blazer waren ausgezeichnet, und Stimms hatte ihnen gezeigt, wie man die Waschanlage füllen mußte. Eileen machte oft Gebrauch davon.
Als sie um eine Kurve bogen, gingen die Lichtkegel der Scheinwerfer plötzlich ins Leere. Eileen bremste scharf und brachte den Wagen zum Stehen. Die Scheinwerfer bohrten kleine Löcher in die verregnete Finsternis, doch es war hell genug, um zu erkennen, daß die Straße vor ihnen verschwunden war.
Tim ging in den Regen hinaus und schritt auf die Kante zu.
Als er sah, wo er stand, schluckte er hart und eilte zur Fahrerseite des Wagens.
»Zurück, aber schleunigst!« befahl er.
Sie wollte nach dem Grund fragen, doch die drängende Furcht in seiner Stimme verschlug ihr die Sprache. Sie schaltete vorsichtig den Rückwärtsgang ein und fuhr langsam zurück. »Geh nach hinten und gib mir Zeichen, verdammt!« rief sie. »Entschuldige.« Tim eilte hinter den Wagen und dirigierte sie mit Handzeichen. Schließlich winkte er mit gekreuzten Armen halt.
Sie schaltete die Zündung ab und stieg aus, um zu sehen, wo sie sich befanden. Die Brücke war ein schlanker Bogen aus Beton gewesen, der sich elegant über eine Kluft schwang. Nun war sie in der Mitte eingestürzt, und sie hatten sich bereits ziemlich weit auf der Brücke befunden, als sie anhielt. Jetzt standen sie wieder auf festem Boden.
Sie konnten nichts sehen. Sie hatten das Gefühl, als stiege links von ihnen eine Felswand steil in die Höhe. Rechts, hinter einem breiten Erdwall stürzte ein Steilhang ins Nichts. Vor ihnen lag die zertrümmerte Brücke.
Nirgendwo waren Lichter zu sehen, und kein Laut war zu hören außer dem Wind, der heulend den Regen peitschte und weit unten das Rauschen des Wassers.
»Ende der Straße?« fragte Eileen.
»Ich weiß nicht. Und ich glaube nicht, daß wir heute Abend noch etwas unternehmen können. Ich glaube, wir
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