Luzifers Hammer
bleiben hier und warten, bis es Tag wird.« »Wenn es überhaupt noch einmal Tag wird«, sagte sie. Sie runzelte die Stirn und begann die Straße hinaufzugehen. Tim folgte ihr nicht. Er stand erschöpft da und wartete darauf, wieder in den Wagen zu klettern, aber er brachte es einfach nicht fertig, solange sie nicht zurück war. Es hätte irgendwie feige ausgesehen, vom Regen geschützt im Wagen zu sitzen, während sie die Straße abschritt und nach etwas suchte … nach was eigentlich? fragte sich Tim. Schließlich kam sie zurück und stieg ein. Tim ging um den Wagen herum und gesellte sich zu ihr.
Sie fuhr langsam zurück, diesmal ohne seine Hilfe. Sie fuhr immer weiter und weiter, und Tim wollte fragen, wozu das gut sein sollte, aber er war viel zu müde. Sie hatte eine Entscheidung getroffen, und das war gut so, weil sie ihm diese Last abgenommen hatte. Schließlich kam sie zu einer Art Kieshaufen auf der linken Straßenseite und lenkte den Wagen sorgfältig hinein, so daß er nun nicht mehr auf der Teerdecke stand. »Das gefällt mir nicht«, sagte sie. »Es könnte schlüpfrig sein. Aber immer noch besser hier als auf der Straße. Vielleicht kommt da einer langgefahren.« »Das glaube ich kaum.«
»Vielleicht auch nicht. Nun sind wir aber mal da.«
»Ein Bier?« fragte Tim.
»Sicher.«
Er nahm zwei Dosen aus der Sechserpackung, die der Autoverkäufer eingepackt hatte. Er öffnete eine Büchse und wollte auch die zweite aufreißen.
»Heb das auf.«
»Huch? Warum?«
»Wir müssen sparsam sein«, sagte Eileen. »Wir haben nicht viel. Ich weiß zwar nicht, wann wir es brauchen könnnen, aber es ist ziemlich sicher, daß wir nicht mehr beschaffen können. Heb alles auf. Auch die Dosen. Mach sie nicht kaputt.« »Okay. Da.«
Das Bier war lauwarm wie der Regen, der draußen fiel. Aber sie hatten sonst nichts. Sie hatten nichts zu essen, und das Regenwasser schmeckte leicht salzig. Tim fragte sich, ob man es ohne weiteres trinken konnte. Denn schon sehr bald würden sie darauf angewiesen sein.
»Zumindest ist es warm«, sagte Tim. »Wir werden nicht frieren, selbst in dieser Höhe nicht.« Seine Kleider waren feucht, und sonderlich warm war es auch nicht. Er wollte, sie hätten den alten Regenmantel aus dem anderen Wagen mitgebracht. Für einen Augenblick dachte Tim an den Besitzer des Chrysler. Hatten sie ihn umgebracht, indem sie sein Auto nahmen? Doch darüber sollte man sich keine Gedanken machen. Man sollte besser überhaupt nicht nachdenken.
»Wollen wir das hier austrinken, oder wollen wir das Zeug aufheben?« fragte Tim. »Heb besser mindestens zwei Büchsen auf«, sagte Eileen. Ihre Stimme klang erschöpft und lustlos, und Tim fragte sich, ob sich seine Stimme ebenso anhörte. Wortlos öffnete er zwei weitere Büchsen, und sie tranken sie aus.
Zwei Dosen Bier auf nüchternen Magen, nach den Aufregungen des Tages: Tim fand, daß es stärker wirkte, als ihm lieb war.
Allmählich fühlte er sich wieder als Mensch. Er wußte, daß es nicht lange anhalten würde, doch im Augenblick hatte er ein warmes Gefühl im Magen, und sein Kopf wurde klar. Er schaute auf Eileen, aber er konnte sie in der Finsternis nicht sehen. Sie war nur ein Schemen auf dem Sitz neben ihm. Er hörte eine Weile dem Rauschen des Regens zu, dann streckte er die Hand nach ihr aus.
Sie saß steif da, reglos, sie schob ihn nicht weg und kam ihm auch nicht entgegen. Tim rückte auf dem Sitz näher. Seine Hand irrte über ihre Schulter und dann hinunter zu ihrem Busen. Ihre Bluse war feucht, aber ihr Körper war warm. Er steckte die Hand in die Bluse. Sie saß immer noch reglos da. Er rückte näher und legte den Kopf auf ihre Brust.
»Ist so was angebracht?« Ihre Stimme war die einer Fremden. Es war Eileen, doch weit entfernt, wie aus einer fernen Welt.
»Was ist?« fragte Tim. Ein vages Gefühl der Scham stieg in ihm auf. »Es tut mir leid.« Der Bierrausch war verflogen.
»Jetzt nicht. Ich werde mit dir schlafen, wenn du willst. Aber nicht jetzt …«
»Tja, es kommen wieder bessere Zeiten.«
»Nicht, wenn es das ist, was du wirklich willst«, sagte sie. »Ich habe darüber nachgedacht. Waren wir wirklich ineinander verliebt?«
»Ich habe dich gebeten, mich zu heiraten …«
»Und ich wollte es auch, nur wollte ich nicht irgendeinen heiraten. Schön, nun sind wir verheiratet.«
Tim schwieg in der Finsternis. Er hatte irgendwie das Bedürfnis, zu kichern. Mutter wird sich freuen, dachte er. Klein Timothy ist endlich
Weitere Kostenlose Bücher