Luzifers Hammer
verheiratet. Er fragte sich, wo seine Mutter und die übrige Familie jetzt waren. Hätte ich etwas tun können? Hätte ich es zumindest versuchen sollen? Ich hab’s nicht versucht. Ich habe nichts weiter getan, als um mein Leben zu laufen.
»Willst du mich wirklich?« fragte er.
»Tim, als ich aus Corrigans Laden kam und dich erblickte, überkam mich ein Glücksgefühl wie noch nie im Leben. Jawohl.«
Wollte sie ihn auf den Arm nehmen? Und warum sollte er sich darüber aufregen? »Wir werden es lernen, einander zu lieben«, sagte sie. »Wir werden es lernen, Tag für Tag. Und wenn es das ist, was du möchtest …«, sie tätschelte seine Hand, die immer noch auf ihrer Brust lag –, »so bin ich bereit.«
Er richtete sich auf und rückte von ihr ab.
»Tim, bitte, sei nicht böse.«
»Nein, ist schon in Ordnung. Du hast recht, es geht nicht gut. Der ganze Wagen ist naß, unsere Kleider kleben am Körper, und wenn du nicht halbtot bist vor Müdigkeit, ich bin es. Himmel, wir waren nahe daran, über diese Brücke zu fahren!«
Sie streckte die Hand aus und drückte die seine.
»Unpassende Zeit, unpassender Ort. He, wie wär’s mit dem Savoy Hotel?«
»Wie bitte?«
»Das Savoy in London. Elegant. Unglaublicher Zimmerservice. Riesenbadewannen. Wenn dies der unpassende Ort für eine Liebesaffäre ist, so ist das Savoy genau das Richtige. Nur steht es wahrscheinlich unter Wasser.« Er wurde geschwätzig. »Natürlich gibt es irgendwo den richtigen Ort, aber wie, wenn wir ihn nie erreichen? Eileen, es hat verdammt wenig gefehlt, und ich hätte diesen Zaun nicht geschafft, aber es mußte sein. Du brauchst nicht mich, sondern Conan den Barbaren! Seine Muskelkraft und dein Köpfchen …«
»Willst du damit aufhören?«
»Ich kann nicht. Du warst es, die uns immer wieder aufgerüttelt hat. Wenn du männliche Kraft brauchst, so glaube ich nicht, daß ich dir damit dienen kann. Mir geht das einfach ab. Ich weiß lediglich, wie man sich die nötigen Arbeitskräfte beschafft.«
»Du hast mich über den Berg gebracht«, sagte sie. »Du hast gewußt, wo wir hinmüssen. Du hast alles richtig gemacht.«
Er konnte sie in der Dunkelheit nicht sehen, aber er wußte, daß sie ihn nicht auslachte, da sie seine Hand fest umklammert hielt.
Er näherte sich ihr wieder, und sie klammerte sich verzweifelt an ihn. Diesmal hatte er keine sexuellen Wünsche, nur ein instinktives Gefühl des Beschützenwollens. Irgendwo im Unterbewußtsein spürte er, daß es Unsinn war, er wußte, daß Tim Hamner, obwohl er den Urinstinkt des männlichen Homo sapiens besaß, weder über die Fähigkeiten noch über die nötige Muskelkraft verfügte, um diesen Instinkt in die Tat umzusetzen. Doch es war sehr angenehm, Eileen im Arm zu halten und zu spüren, wie sie, den Kopf in seinem Schoß, langsam einschlummerte, und nach einer Weile war auch er eingeschlafen.
Das Meer weicht aus England zurück.
Verschlammt und verschmutzt strömt das Wasser, das London erobert hat, in den Kanal zurück. Es reißt Leichen mit sich, Autos von der leichteren Sorte und die Holzwände und Dächer älterer Gebäude, es führt den Abfall vom Meeresboden mit sich, das drei gewaltige Flutwellen ins Land getragen haben, und es muß sich seinen Weg bahnen zwischen, um und durch Berge von Trümmern, die tags zuvor noch Gebäude waren, die in den Himmel ragten. Fenster, die die Flutwelle überdauert haben, bersten nun und lassen das Wasser durch, das die Innenräume auswäscht und Möbel, Bettzeug, ganze Läden voller Kleidung mit sich reißt.
Die Gebäude am Ufer der Themse sind bis auf die Grundmauern zerstört, und selbst diese Grundmauern werden weggeschwemmt. Unter dem gewaltigen Druck bröckelt der Beton ab; er wird mit Megatonnen Schlamm von den Ufern ins Flußbett gespült. Morgen und für alle Zeiten würde kein Mensch mehr genau sagen können, wo einst das Savoy stand.
Sie erwachten verkrampft, mit einem Kribbeln in den Beinen und zitternd vor Kälte. »Wie spät ist es?« fragte Eileen.
Tim drückte den Knopf an seiner Uhr. »Ein Uhr fünfzehn.« Er versuchte, sich auf die andere Seite zu drehen. »Es ist wohl eine romantische Erfindung der Dichter, daß es schön sei, in den Armen der Geliebten zu schlummern. Ich finde es verdammt ungemütlich.«
Sie lachte in der Dunkelheit, und Tim fand, daß sich ihr Lachen gelöster anhörte. Das war wieder Eileen, ihr Lachen, und er konnte sich ihr aufblühendes Lächeln vorstellen, obwohl er es nicht sehen
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