Luzifers Kathedrale
Blumenschmuck, sondern nur die auch von innen dunklen Wände, die von den grauen Fenstern unterbrochen wurden. Die Scheiben zeigten keine Bemalung, aber der Sturm hatte es nicht geschafft, sie einzudrücken. Sie widerstanden ebenso wie das Mauerwerk.
Der Schäfer wusste nicht genau, was sich die Menschen alles über die Kathedrale erzählten. Es waren keine guten Geschichten. Bei Einzelheiten hatte er oft weggehört.
Der Sturm tobte draußen noch immer. Aber er war leiser geworden, das stellte McBell deutlich fest.
Dennoch fühlte er sich unwohl. Etwas anderes bereitete ihm Sorgen. Ein Geräusch, das nicht von draußen kam. Es war ein unheimlich klingendes Flöten und Schreien. Der Schall transportierte es durch die Kirche, und so drang es auch an die Ohren des einsamen Mannes.
Er legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Decke. Er wollte etwas sehen, denn irgendjemand musste diese verdammten Laute ja abgegeben haben.
Er entdeckte nichts.
Es blieb wie es war, wenn nicht dieses leise Pfeifen gewesen wäre. Da schien jemand die Geräusche des Windes nachahmen zu wollen.
McBell lauschte weiterhin dem Geräusch nach, hielt den Blick permanent gegen die Decke gerichtet, was ziemlich anstrengend war – und entdeckte dort plötzlich die schattenhafte Bewegung, die nicht mehr als ein Huschen war.
Sie malte sich an der Decke ab. Schlangengleich und mit schnellen, zackigen Schlägen.
Einen Moment später erstarrte der Schäfer, denn ein furchtbarer Schrei erreichte seine Ohren...
***
Frühwinter. Die Zeit kurz vor Weihnachten. Eine Phase der Besinnung hätte es sein sollen, aber diese Zeiten waren längst vorbei. Die Besinnung war in Hektik umgeschlagen, denn da rannten und hetzten die Menschen, um sich mit Geschenken einzudecken, die sie dann – völlig erschöpft – den Menschen zu Weihnachten übergeben wollten.
In den letzten Jahren war es immer schlimmer geworden. Das Weihnachtsfest wurde pervertiert und in der Zeit davor zu einem grellbunten Event gemacht.
Das alles hatte sich in den letzten Jahren noch stärker hervorgehoben, aber es war nichts für mich. Das musste ich ebenfalls zugaben. Ich versuchte nach Möglichkeit, dem Trubel zu entkommen, was mir hin und wieder durch dienstliche Aufgaben gelang. Ansonsten blieb ich, wenn eben möglich, auch zu Hause.
Weihnachtsmärkte waren mir suspekt geworden, weil ich dort auch den Horror erlebt hatte, wobei ich nicht das Gewühl und das Gedränge meinte, sondern einen Angriff dämonischer Gestalten.
Natürlich gab es auch für mich freie Abende. Die meisten verbrachte ich allein oder auch mit Freunden zusammen, und auf den Abend, der jetzt vor mir lag, freute ich mich, denn ich wollte mal wieder meinen Freund Bill Conolly besuchen.
Er hatte mich angerufen und eingeladen und gemeint, dass wir mal wieder so richtig einen draufmachen sollten. Wie in alten Junggesellenzeiten.
»Ho – ohne Sheila?«
»Genau, John.«
»Wo steckt sie denn?«
»Auf einer Weihnachtsfeier, die sich immer bis Mitternacht hinzieht.«
»Ich bin dabei!«
Auf diesen Abend freute ich mich wirklich, und Bill hatte mich auch mit einem breiten Grinsen im Gesicht empfangen, wobei er schon mit einer Flasche Bier winkte und glänzende Augen hatte.
»Schon allein, Bill?«
»Aber sicher. Sheila lässt dich grüßen. Sicherheitshalber hat sie schon mal das Gästebett für dich gemacht.«
»Soll es so schlimm werden?«
»Man kann ja nie wissen.«
Ich war froh, das Haus der Conollys betreten zu können, denn draußen herrschte ein Wetter zum Weglaufen. Mit Weihnachten oder Vorweihnachten hatte das nichts zu tun. Dunst und Nieselregen machten den Menschen auf den Straßen das Leben schwer und hatten die Stadt in eine schwammige Kulisse verwandelt. Es gab keine klaren Lichter mehr. Beim Fahren durch die City hatte ich das Gefühl gehabt, immer wieder von dunstigen Augen geblendet zu werden.
Aber jetzt war ich da.
Jacke aus, aufgehängt, der leichte Bieranzug kam zum Vorschein. Eine Hose aus dünnem Cord, Senffarben, und dazu ein beiger leichter Pullover über dem T-Shirt.
»Wohin?«
»Wohin willst du?«
Ich blieb vor Bill stehen und grinste ihn an. »Was ich dich noch fragen wollte, ist der Besuch rein privat oder steckt vielleicht mehr dahinter, alter Schwede?«
»Also bitte...«
»Also nein. Ich kenne dich doch. Wenn du so anfängst, könnte mehr dahinstecken.«
»He, was denkst du eigentlich von mir?«
»Genau das Richtige.«
Bill senkte den Kopf und schüttelte ihn
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