Luzifers Kathedrale
zurück, und es wird auch den vernichten, der hier die Kontrolle übernommen hat.«
»Leider nicht Luzifer«, sagte Bill knirschend.
Ich gab ihm keine Antwort und konzentrierte mich jetzt auf das Wesen in der Wand. Zwei Kugellöcher zeichneten das Gesicht. Die Geschosse hatten große Löcher gerissen, aber das Ding, das eine Mischung zwischen Tod und Leben war, bewegte sich weiter. Es war stark, es wollte nicht aufgeben. Geweihte Silberkugeln konnten es zwar schwer verletzen, aber nicht stoppen.
Seltsamerweise machte das Licht einen Bogen um es. Die Strahlen ließen die Wand einfach aus, was mich schon wunderte. Allerdings vertraute ich weiterhin auf die Macht meines Talismans, und wieder kam mir in diesem Augenblick zu Bewusstsein, dass ich der Sohn des Lichts war.
Ob die Gestalt nun ging oder schwebte, war nicht genau zu sehen. Jedenfalls blieb sie nicht mehr an ihrem Platz, und sie bekam plötzlich einen Ruck, so dass sie kurz zuckte und plötzlich die Wand hinter sich gelassen hatte.
Jetzt stand sie frei – uns gegenüber!
Er war der Schrecken an sich. Halb zerstört, durch schreckliche Wunden gezeichnet, bestückt mit einem blutumkränzten Maul, doch nicht völlig nackt, denn die Mitte des Körpers wurde von irgendeinem Fetzen verborgen.
Er besaß auch Arme. Auch die waren von rostbraunen Wunden übersät. Er besaß auch Hände, und die streckte er uns entgegen, als wollte er eine Gabe erhalten.
Die bekam das Wesen auch.
Doch nicht von mir und auch nicht von Bill Conolly. Denn jetzt handelte das Kreuz so, wie ich es mir schon zuvor gewünscht hatte. Alles Übrige war durch das Licht zerstört worden. Nur noch der kalte Wind wehte durch das offene Dach, aber es fiel kein Staub mehr nach unten, denn auf dem Dach war nichts mehr vorhanden, das auf Luzifer hinwies.
Und sein Diener verging ebenfalls.
Man hatte ihn noch aus der Wand treten lassen. Vielleicht sollte er für Sekunden nur an dem schnuppern, was ihm einmal gehört hatte und nun nie wieder gehören würde.
Er ging.
Und er ging in das Licht!
Wir hörten keinen Schrei, aber gleich vier Strahlen huschten auf ihn zu, und ich hatte das Gefühl, als würde sich mein Kreuz in der rechten Hand kurz aufbäumen.
Die alte Gestalt, von der ich nicht mal wusste, wer sie war, bekam nicht den Hauch einer Chance. Für einen kaum messbaren Augenblick wirkte sie durchscheinend, als wollte sich stoffliche und feinstoffliche Materie verwandeln, doch dann war es vorbei.
Es gab ihn nicht mehr.
Das Licht hatte ihn ausgelöscht, als hätte es mir erklären wollen, wie man die Finsternis besiegt, und das schon seit Bestehen der Welt...
***
Die Männer schoben alles auf Luke Plummer. Er hatte Ian Warren getötet. Er hatte ihm angeblich den glühenden Stacheldraht umgelegt.
Sie konnten es, denn Plummer lebte nicht mehr, was mich sehr störte. Aber ich hatte nicht so genau zielen können. Es war eben verfluchtes Pech gewesen.
Über die Aussagen regte sich Julian McBell fürchterlich auf. »Wie kann so etwas sein? Alle tragen Schuld.«
»Wenn sie dabei bleiben, kommen sie vor Gericht mit ihrer Aussage durch. So ist das nun mal.«
Wütend schaute mich der Schäfer an. »Dann werde ich mir überlegen, ob ich noch auf dieser Insel bleibe.«
»Bleiben Sie. Einer muss schließlich den Anfang machen und eine neue Zeit einläuten...«
Nach diesen Worten verließ ich die Kathedrale, trat nach draußen und schaute zum Sternenhimmel...
ENDE
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