Lycana
Gekeife verbringen zu können, nicht eines gewissen Reizes. Franz Leopold räusperte sich.
»Baronesse Antonia, vielleicht überdenkt Ihr Eure Worte noch einmal? Anna Christina ist ja nun wirklich nur noch einen winzigen Schritt von ihrem entscheidenden Geburtstag entfernt und schon so klug und … äh - erwachsen. Außerdem geht es in Irland sehr rau und windig zu. Das ist kaum der richtige Ort für sie. Und wozu muss eine elegante Wiener Dracas wie sie denn auch den niederen Tieren befehlen? Sich in einen Wolf oder eine Fledermaus verwandeln können oder gar in einen Hauch von Nebel, der mit dem Sturmwind reist, was ist das schon?« Er versuchte sich an einer wegwerfenden Handbewegung. Die Baronesse starrte ihn an. Franz Leopold spürte selbst, dass in seiner Stimme eine unangemessene Begeisterung schwang.
»Meine Antwort ist und bleibt nein! Ihr geht alle nach Irland. Und nun strapaziert nicht länger meine Nerven.«
»Du hast meine letzte Hoffnung zerstört«, beschwerte sich Anna Christina, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten und gemeinsam den Gang hinuntergingen. »Man hätte ja geradezu den Eindruck gewinnen können, dass du dich auf dieses Jahr freust. Irland! Das ist eine Reise ins Mittelalter - vermutlich gar in die Steinzeit! Das wird noch grässlicher als das rückständige Rom!«
»Ja, vermutlich hausen die dort noch in Höhlen mit Wölfen und Bären zusammen«, stimmte ihr Franz Leopold heiter zu. Die beiden anderen starrten ihn an.
»Du benimmst dich wirklich sehr seltsam«, wunderte sich Anna Christina.
Karl Philipp nickte. »Ja, schon seit wir aus Rom zurück sind. Ist mir auch aufgefallen. Du hast dich doch nicht etwa von diesem ›Nur-gemeinsam-sind-wir-stark‹-Geschwätz anstecken lassen? Sag, du bist noch immer überzeugt, dass wir weit über diesen minderwertigen Clans stehen und sie für immer verabscheuen und verachten werden«, verlangte Karl Philipp.
Franz Leopold lächelte noch immer. »Aber ja - die Vamalia, die Pyras, die Nosferas, die Vyrad und vor allem unsere verachtenswerten Gastgeber in Irland, die in der Steinzeit verhafteten Lycana.«
Das Bild einer jungen Vampirin stieg in seinen Gedanken auf. Ihre langen silbernen Locken glänzten im Mondlicht. Ihr Gewand schien an ihrem schlanken Leib herabzufließen. Sie war klein und zierlich, wirkte aber alles andere als kindlich. In ihren Zügen vermischten sich Schönheit und Harmonie mit der Weisheit, die in ihren türkisfarbenen Augen zu lesen war. Er konnte sogar den weißen Wolf sehen, der nie von ihrer Seite wich.
»Entschuldigt mich«, sagte er und verbeugte sich mit spöttischer Miene, »ich muss Matthias noch ein paar Anweisungen erteilen, bevor wir uns in das harte Schicksal unserer Verbannung ergeben.« Leichten Schrittes eilte Franz Leopold davon, um seinen Schatten zu suchen. Wie jedes Familienmitglied der reinen Blutlinie hatte er einen unreinen Vampir, der ihm zu Diensten war, ihm bedingungslos gehorchen und ihn beschützen musste. Die Unreinen hatten einst als Menschen gelebt, bis sie von einem Vampir gebissen und verwandelt worden waren. Von dieser Nacht an behielten sie ihre Erscheinung für alle Zeiten unverändert bei, auch wenn sie an Kraft und Erfahrung gewannen, während die Reinen bereits als Vampire geboren wurden und - ähnlich der Menschen - wuchsen und ihr Äußeres veränderten. Nur erstreckte sich die Existenz der Vampire über die Jahrhunderte, in denen ihre Stärke stetig zunahm, bis auch sie den Höhepunkt überschritten hatten. Und wenn die Kräfte und Schnelligkeit nachließen, dann mischten sie sich unter die Altehrwürdigen und überließen es den Jüngeren, das Schicksal des Clans zu führen.
Franz Leopold trat in sein Gemach, wo Matthias dabei war, seinen Reisekoffer zu packen. Bevor Baron Maximilian ihn zum Vampir gemacht hatte, war er Droschkenkutscher gewesen. Er war ein großer, vierschrötiger Mann mit der dunkleren Haut und dem schwarzen Haar der Ungarn und äußerst wortkarg. Doch hatte er inzwischen wenigstens gelernt, mit der Garderobe seines Herrn sorgsam umzugehen. Gerade legte er eines der seidenen Frackhemden zusammen und verstaute es in der Truhe. Matthias sah auf.
»Was wünscht Ihr?«, fragte er, während er nach der schwarzen Frackjacke griff.
»Ich möchte, dass du mir ein Buch besorgst und mit in den Koffer packst.«
»Was für ein Buch? Es gibt viele verschiedene Bücher.« Der unreine Vampir ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Das weiß ich auch«,
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