LYING GAME - Weg bist du noch lange nicht
Madeline scharf an und nahm den Fuß von der Tretkurbel. Madeline und die anderen waren immer noch die Hauptverdächtigen für den Mord an Sutton. Aber Emma hatte keine Beweise.
Sie wischte sich die Hände an einem Handtuch sauber, holte Suttons iPhone aus der Tasche und scrollte durch ihren Terminkalender. »Äh, Mädels?«, sagte sie. »Weiß zufällig jemand, wann ich das letzte Mal beim Friseur war? Ich habe vergessen, es in meinem Kalender einzutragen, und ich will meinen nächsten Termin ausmachen. War es … am 31. August?«
»Was war das für ein Tag?«, fragte Charlotte, die so erschöpft wirkte, als habe sie letzte Nacht nicht geschlafen. Sie drückte viel zu stark auf ihren Tonklumpen und verwandelte ihre Schüssel damit in einen weichen Pfannkuchen.
Emma tippte auf ihr Telefon. »Äh … der Tag vor Nishas Party.« Der Tag, bevor Mads mich im Sabino Canyon für Sutton gehalten und entführt hat. Oder vielleicht eben nicht für Sutton gehalten hat. »Zwei Tage vor Schulbeginn.«
Charlotte warf Madeline einen Blick zu. »War das nicht der Tag, an dem wir …«
»Nein«, zischte Madeline und sah Charlotte eisig an. Dann wendete sie sich Sutton zu. »Wir wissen alle nicht, wo du an dem Tag warst, Sutton. Deine Amnesie wird jemand anders heilen müssen.«
Madelines Porzellanhaut glühte geradezu im Neonlicht und sie starrte Emma mit zusammengekniffenen Augen an, als wolle sie ihr sagen, sie solle das Thema wechseln. Charlotte, die auf einmal hellwach wirkte, schaute zwischen Emma und Madeline hin und her. Sogar Laurels Rücken in der Reihe vor ihnen schien auf einmal erstarrt zu sein.
Emma wartete. Sie wusste, dass sie einen Nerv getroffen hatte, und hoffte, jemand werde ihr sagen, welchen. Aber als das angespannte Schweigen anhielt, gab sie auf. Nächster Versuch, dachte sie und schloss die Finger um den silbernen Eisenbahn-Anhänger in ihrer Tasche. »Ist auch egal. Ich finde, es ist Zeit für den nächsten Lügenspiel-Streich.«
»Cool«, murmelte Charlotte und starrte auf den rotierenden Tonklumpen vor sich. »Schon irgendwelche Ideen?«
Auf der anderen Seite des Raumes wusch sich ein Mädchen die Hände am Waschbecken, und aus Richtung Brennofen ertönte ein lautes Krachen. »Es war so cool, wie wir meiner Mom das Auto geklaut haben.« Sie hatte ein Video von diesem Streich auf Laurels Computer gesehen. »Vielleicht sollten wir so etwas Ähnliches noch mal machen.«
Madeline nickte nachdenklich. »Vielleicht.«
»Aber … mit etwas mehr Pepp«, fuhr Emma fort und rief sich den Text ins Gedächtnis, den sie gestern Abend in Suttons Schlafzimmer geübt hatte. »Wir könnten das Auto in der Waschanlage stehen lassen. Oder es in einen Pool fahren. Oder es auf den Eisenbahnschienen stehen lassen.«
Bei dem Wort Eisenbahnschienen erstarrten Charlotte, Laurel und Madeline. Emmas Magen durchfuhr ein stechend heißer Schmerz. Volltreffer.
»Sehr witzig.« Charlotte knallte ihren Tonklumpen auf die Scheibe.
»Wiederholungen sind verboten, weißt du noch?«, zischte Laurel nach hinten.
Madeline wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und starrte Emma böse an. »Hoffst du auch, dass noch mal die Bullen kommen?«
Die Bullen. Ich versuchte krampfhaft, eine Erinnerung an die Oberfläche zu holen. Aber das Fragment über die Eisenbahnschienen hatte sich in Luft aufgelöst.
Emma schaute Suttons Freundinnen mit staubtrockenem Mund an. Aber bevor sie ihre nächste Frage stellen konnte, erwachten die Lautsprecherboxen im Klassenraum zum Leben.
»Aufgepasst!«, sagte die blecherne Stimme von Amanda Donovan, einer Zwölftklässlerin, die täglich aktuelle Ankündigungen verlas. »Es ist an der Zeit, die Gewinnerinnen zu verkünden, die beim diesjährigen Halloween-Ball den Hofstaat der Ballkönigin bilden werden. Gewählt wurden die jungen Damen von den talentierten Jungs der Football-, Fußball-, Querfeldeinlauf-und Volleyballmannschaft von Hollier! Der Ball ist in zwei Wochen, meine lieben Gespenster und Kobolde, also holt euch Karten, bevor sie ausverkauft sind! Mein Date und ich haben uns schon welche gesichert!«
Madeline schürzte angewidert die Lippen. »Welchen armen Tropf hat Amanda denn dazu gezwungen, mit ihr zum Ball zu gehen? Onkel Wes?«
Charlotte und Laurel kicherten boshaft. Amanda war die Nichte von Wes Donovan, einem Sportmoderator mit einer eigenen Sendung im Radio. Amanda sprach in den morgendlichen Ankündigungen so oft von ihm, dass Madeline schwor, die beiden seien ein
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