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Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)

Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)

Titel: Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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der sich von nichts und niemandem etwas sagen ließ. Obwohl ihr Rockmusik unter normalen Umständen Kopfschmerzen bereitete, ließ sie an diesem Morgen ihren MP3-Player an, als im Radio ‚Word up’ von Korn gespielt wurde. Ein nackter Rockstar mit einem flauschigen Handtuch um die schmalen Hüften, dem Oberkörper eines Athleten und einem Gesicht, das George Clooneys Visage alt aussehen ließ, fügte sie in Gedanken hinzu und grinste von einem Ohr bis zum anderen. Die kurze Begegnung hatte Eindruck auf sie gemacht, in der Tat, und ihre Phantasie in alle möglichen Richtungen beflügelt. Wie es Jolis Art war, fand sie sich in einem Tagtraum wieder, während sie mechanisch in die Pedale ihres rostbraunen Klapprads trat, um rechtzeitig zur Arbeit zu gelangen. In Gedanken sah sie sich auf einer Holzbank in einer gemischten Sauna sitzen und hatte ein flauschiges Handtuch um ihren Körper geschlungen, während der sexy Marquis vor ihr die Hüften zu ‚Word up’ schwang und sich ihr in seiner ganzen Pracht präsentierte. Und was für eine Pracht das war. Holla die Waldfee. Joli biss sich auf die Unterlippe.
    Ach, wem machte sie etwas vor. Mit ihrem Aussehen würde sie weder Rockstars noch einen Marquis de Sagrais für sich gewinnen. Im Gegenteil. Sie war genau der Typ Frau, vor dem die Kerle Reißaus nahmen. Sie konnte vielleicht deren Angestellte sein, aber sicher nicht mehr. Traurig aber wahr. Sie war eine Brillenschlange mit intellektuellem Touch. Zumindest hatte ihr Ex sie gern so bezeichnet. Ihr Gesicht war ihrer Ansicht nach eine einzige Katastrophe, das sie am liebsten unter einer Papiertüte versteckt hätte. Deswegen hatte sie es vermieden, heute Morgen in den Spiegel zu blicken. Karla hatte ihr schon einmal geraten, sich eine neue Brille anzuschaffen, um ihr Aussehen zu verbessern, was ihrer Ansicht nach auch Auswirkungen auf die ‚Personality’ hätte. Dabei gehörte das Bernsteinmodel bereits zu den vorteilhafteren Modellen für Menschen mit herzförmigen Gesichtern. C'est la vie.
    Als Joli, wie immer fünf Minuten zu spät, die Tür aufriss und in die Tierarztpraxis stolperte, erwartete sie eine böse Überraschung. Das Wartezimmer war leer, kein vertrauter Geruch nach Hund oder Katze stieg ihr in die Nase. Kein Zwitschern aufgeregter Wellensittiche und Kanarienvögel war zu hören. Karla und Dr. Mark standen mit trüben Mienen hinter der Anmeldung und ließen die Schultern hängen. Man musste kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass irgendetwas Schlimmes passiert war.
    „Ihr macht Gesichter wie drei Tage Regenwetter. Aber wen wundert das, der Wetterbericht hat ein Unwetter für heute Nachmittag vorausgesagt“, sagte Joli und schnappte sich ihren Overall aus dem Schrank neben der Umkleidekabine.
    „Kommen Sie einen Moment zu uns, Joli?“, bat Dr. Mark, der sich erschöpft auf den Stuhl hinter dem Computertisch fallen ließ, um mit dem Zwei-Finger-Suchsystem die Tastatur zu bedienen.
    „Ja, sicher.“ Joli ließ den Schrank offen stehen und klemmte sich den zusammengerollten Overall unter den Arm. Sie ging zum Tresen und blickte die beiden erwartungsvoll an.
    „Ich will gleich zur Sache kommen, Joli. Ich habe schlechte Nachrichten für Sie.“
    Joli runzelte die Stirn. „Sagen Sie mir nicht, dass ich gefeuert bin, Dr. Mark.“ Sie lachte, überzeugt, dass das niemals die schlechte Nachricht sein konnte, von der er sprach. Aber da sein Ausdruck bitterernst blieb, verspürte sie ein zunehmend beklemmendes Gefühl in der Magengegend.
    „Ganz so schlimm ist es nicht“, sagte Dr. Mark schließlich und lächelte entschuldigend. „Ich habe mich gestern leider verspekuliert.“
    „Aktien!“, warf Karla erklärend ein und kaute schmatzend ihren knallrosa Kaugummi, den sie sonst nur in der Mittagspause in den Mund steckte.
    „Sie spekulieren in Aktien? Das wusste ich gar nicht.“
    „Das mache ich schon seit einiger Zeit, um die neuen Praxisgeräte abzuzahlen, die wir uns kürzlich anschafften. Bisher lief alles gut. Gestern kam dann der Absturz. Ich habe sehr große Verluste erlitten. Das kommt davon, wenn man sich auf einen heißen Tipp verlässt. Wird schwer, meine Schulden zu begleichen und gleichzeitig alle anfallenden Gebühren zu zahlen. In letzter Zeit haben wir auch noch zurückgehende Patientenzahlen, weil die Tierklinik vor wenigen Wochen eröffnet hat.“ Alexander Mark strich sich durch sein Haar und atmete tief durch. „Ich kann mir keine zwei Tierarzthelferinnen mehr leisten. Das

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