Lykandras Krieger 1 - Wolfsängerin (German Edition)
verzweifelt und sexuell frustriert sein, wenn sie beim Anblick jedes attraktiven Mannes, der ihr zufällig begegnete, den Verstand verlor. Vielleicht würde er noch etwas sagen, irgendetwas Nettes, das ihr diesen hundsmiserablen Tag rettete. Aber er nickte nur und ging zur Bar zurück. Sie starrte ihm lange nach, ehe sich ihr Blick auf das zerknitterte Papier in ihrer Hand richtete. Ihr Vater hatte ihr ein Jobangebot gemacht. Und der reiche Kerl, für den er bisher gearbeitet hatte, spukte nicht nur in ihren Tagträumen herum, sondern war auf den ersten Eindruck freundlich, wenn auch unangemessen leicht bekleidet gewesen, und zahlte sicherlich auch ein fantastisches Gehalt, wenn man berücksichtigte, aus welchen Verhältnissen er stammte. Falls er nicht schrecklich geizig war, man konnte ja nie wissen. Den Erzählungen ihres Vaters nach zu schließen, hatten die Familien eine gewisse Zeit in Armut gelebt. Dem Haus nach zu urteilen, schienen die mageren Zeiten jedoch vorüber. Etwas in ihr sagte ihr aber, dass de Sagrais ein großzügiges Gehalt zahlen würde. Ganz besonders deshalb, weil er so versessen darauf war, dass eine Tremonde in seine Dienste trat. Und diese waren anscheinend rar.
Während sie nachdachte, stützte sie den Kopf in ihre Hand und sah zur Decke. Das wär’s doch. Sie als Angestellte eines reichen Sunnyboys. Nun gut, ein Boy war er sicher nicht mehr, denn der Typ fiel in die Kategorie 30 plus. Also kein Boy, sondern ein richtiger Mann. Ein richtiger Mann mit dem Körper eines richtigen Mannes.
Nein, entschied Joli vehement und, wie sie glaubte, vernünftig, und nahm einen kräftigen Schluck. Sie würde nicht dorthin zurückgehen und deren fragwürdiges Jobangebot annehmen, denn das würde heißen, sich dem Willen ihres Vaters zu beugen. Das konnte und wollte sie nicht. Zumindest nicht, ohne zuvor alles versucht zu haben, einen anderen Job zu finden.
Nach zwei Stunden erfolgloser Jobsuche und ebenso erfolgloser Telefonate, einer Handyrechnung, die garantiert sämtliche bisherigen Rekorde sprengen würde, und einer Laune, die unterirdischer kaum sein konnte, erschien ihr der Gedanke, die Familientradition fortzuführen, gar nicht mehr so abwegig. Es war ja nur vorübergehend. Bis ein besserer Job in Sicht war. Man könnte es ja mal probieren.
Sie faltete das Papier auseinander, glättete es und rief ihren Vater an.
Wäre Jolis Leben ein Film gewesen, hätte sie sich nicht über die Geschwindigkeit gewundert, in der es an ihr vorbeirauschte. Sie stand mitten im Regen im Vorgarten der alten Villa in Dahlem und drückte auf den Klingelknopf, der auf der anderen Seite der Tür ein schrilles Bimmeln erklingen ließ. Wenige Sekunden später stand sie neben ihrem Vater in dem altmodischen Flur, mit einem bummernden Herzen in ihrer Brust und starken Zweifeln, ob sie tatsächlich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Noch einmal hier her zu kommen hatte sie einen großen Teil ihres Stolzes gekostet.
„Wie schön, dass du es dir anders überlegt hast. Es gibt einiges zu besprechen. Sehen wir uns das Haus an“, sagte er hastig.
Für sein Alter und seinen Zustand legte er einen ordentlichen Schritt vor. Die Treppe in den ersten Stock nahm er in Nullkommanichts. Ohne ein Stolpern. Er wollte wohl keine Zeit verlieren. Alles ging so flott, als hätte jemand auf die Schnellspultaste gedrückt. Joli war das nur recht, so hatte sie keine Gelegenheit, ihre Meinung noch einmal zu ändern.
Die privaten Gemächer des Herrn waren tabu für sie, was sie wirklich sehr schade fand.
Das Bad war Gott sei Dank sauber und gepflegt. Tremondes Zimmer, welches er seiner Tochter vermachen wollte, war geräumig und großzügig ausgestattet und wies zudem eine Terrasse auf. Zu ihrem Erstaunen entdeckte sie sogar einen Fernseher auf einer Kommode nahe dem Fenster. Wie fortschrittlich. Und überall, egalin welchen Raum sie gingen, fand sie Kreuze an den Wänden und Knoblauchgewächse, die von den Decken hingen.
„Herr Tremonde, ich werde nicht in das Haus des Marquis ziehen. Ich habe bereits eine Wohnung, in der ich mich sehr wohl fühle.“
„Nenn mich bitte Phillip.“
„Also gut, Phillip, noch einmal zum Mitschreiben. Ich suche einen zweiten Job. Ich gebe meine Arbeit als Tierarzthelferin nicht auf. Dafür liebe ich Tiere viel zu sehr. Ich komme nach der Arbeit her, sehe nach dem Marquis, mache den Haushalt und ...“
„Ich habe verstanden. Ich bin sicher, der Herr wird sich damit zufrieden geben.“ Er
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