Lyon - A.M.O.R. 01
wird, der Körper die schwersten Verletzungen rasch heilt, alles funktioniert, wie es sein soll, bis man ins Gras beißt? Wir werden so geboren oder durch e i nen Biss zum Magyc, wir spüren weder das amorphe, zweite Herz , noch durchleben wir eine Verwandlung wie ihr.“
Lyon ballte die Fäuste. „Hast du ihr was angetan?“
„Hm, sie ist mir ab und zu aus den Händen gerutscht, sowie meine Schw ä cheanfälle mich überfielen. Nur Schürfwunden.“
„Himmel! Du verarschst mich. Warum soll ich dir das glauben? Warum e r zählst du mir das alles?“
„Ich will nicht, dass ihr etwas zustößt.“
„Weshalb?“ Lyon quetschte das Wort zwischen den Zähnen hindurch. Seine Reißzähne stießen lang hervor. Er konnte es sich schon denken. Sie war b e zaubernd, eigenwillig, wunderschön und stark wie verletzlich, intelligent und hilfsbereit …
„Hey“, Zymon hob abwehrend die Hände, „sie gehört dir. Sie wollte zu dir und sie braucht dich. Ich weiß eine ganze Menge über euch Amorphen, also komm wieder runter. Ich sterbe sowieso bald. Sieh es als meinen letzten Wunsch an.“
„Bring mich zu ihr“, sagte Lyon.
„Ins FAL? Bist du wahnsinnig?“
„Man sollte einem Wahnsinnigen nie in die Quere kommen.“
12.9.2012 - Provinz Québec, Kanada
T
ehlic blickte in sein Aquarium, während Aaron Neff ihn von Neuigkeiten unterrichtete. Abrupt drehte er sich zu dem Leiter seines Labors um. Unverständnis und Jähzorn paarten sich zu einer explosiven Mischung. „Und sie haben die Überreste des Jägers nicht mi t genommen?“
Aaron wich unwillkürlich einen Schritt zurück. „Die Eskorte mit der Me n schenfrau ist auf dem Weg hierher. Kein Amorph ist ihnen bisher begegnet . Auftrag Zymon-Ki erledigt. Ich geb’s nur weiter. Wie immer.“
Tehlic drohte mit der Faust . „Klär das! Falls die Idioten ohne Zymon-Ki auf dem Weg zur Abgabestelle sind, sollen andere die Leiche holen. Sofort! Und du bereitest dich für unseren Gast vor. Wir benötigen viel Blut. Geh!“
Mist, er hatte Zymon-Ki eigentlich heimlich im FAL terminieren lassen wo l len. Warum hatte der Schwachkopf bloß die Order abgebrochen, obwohl er sie schon so gut wie erledigt hatte? Da er schnell hatte improvisieren müssen, übernahm ein absoluter Dilettant die Aufgabe, den alten Zymon-Ki zu erled i gen, bevor der auf Nimmerwiedersehen verschwand. Na, Hauptsache der Ve r räter düngte nun das Gras von unten.
Dabei fiel ihm die soeben von Aaron überbrachte Nachricht eines New Yorker Kopfjägers ein, die seine seit Kurzem befürchtete Vermutung bestäti g te. Lyon Salassar IV. atmete nicht mehr traumlosen Tiefschlafstaub, sondern geisterte hellwach über die Erdoberfläche. Ein Eidbruch, ein Fehler, den der Sohn eines Schwächlings bitter bereuen würde.
Der Bericht deckte sich mit einer kürzlich erhaltenen Information, der er a l lerdings keinen Glauben geschenkt hatte. Weshalb hätte der König der Amo r phen von den Toten auferstehen sollen, um sich eines gewöhnlichen Homo sapiens anzunehmen? Er hatte dies für eine Ausrede für die schlimmen Verle t zungen des speedsüchtigen Einsiedlers gehalten, der in einer Blutkonserven ausgebenden Apotheke der Magycen um Amphetamin bettelte. Doch nun konnte er sicher sein – Lyon lebte und fühlte sich offensichtlich nicht weiter an ihr Abkommen gebunden.
Tehlic knetete die Finger, als würgte er seinen Widersacher. Lyon kümmerte sich um die Frau, da seine Rasse unaufhaltsam ausstarb, und er seine sich ta t sächlich wandelnden Nachkommen schützen wollte. Fraglos hatte es aber noch einen weiteren Grund.
Sein Grinsen verbreiterte sich. Dank de s Prankenhieb s mit der chemischen Substanz erkannte jeder den Amorphenkönig an seinen Narben. Ab und an erheiterten ihn selbst nach fast 500 Jahren noch seine Ideen und er schob gleich noch eine hinterher. Ja, er wollte heute die höchste bisher ausgerufene Summe und als besonderen Anreiz den Titel eines Abgeordneten mit polit i scher Immunität als Belohnung für die lebendige Herbeischaffung des Königs der Amorphen aussetzen. Er wollte Lyon! Damit waren sie dann endgültig g e schlagen. Und er bald an der Macht.
Tehlic schüttete ein wenig Lebendfutter in das Aquarium, warf einen Blick auf seine prächtige Palythoa toxica Krustenanemone, die die nachgestellte K o rallenlandschaft mit ihren blumenähnlichen Blüten bedeckte, und verließ das Büro. In seinem Gemach warteten bereits zwei bullige Diener mit seiner W o chenration. Er krabbelte
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