Lyon - A.M.O.R. 01
Er zwinkerte ihr zu, obwohl es ihm zum ersten Mal das Herz zerriss, einem anderen gegenüber z u zugeben, wie viele Existenzen er vernichtet hatte. „Ich habe euch gejagt, zur Strecke gebracht, ausgeliefert. Das war nicht einfach, ihr Amorphen seid mir normalerweise überlegen. Ich musste alles über euch wissen, eure Schwächen kennen. Ich hätte mich um meinen Körper genauso kümmern sollen.“
Sie schluckte schwer an seinen Worten, riss sich aber zusammen. „Wie meinst du das? Rächt sich dein Leben an deinem Körper, deshalb deine Qual?“
Er nickte. „Schnelle Auffassungsgabe.“
„War das ein Kompliment?“
Zymon schüttelte grinsend den Kopf, spürte, wie eine erneute Welle Schmerz nahte, wusste, er würde bald sein unrühmliches Ende finden und fasste nach ihren Händen. Es gab nur noch eins, das er tun konnte und wollte.
„Heißt … heißt das, du lieferst mich nicht ab? Wo auch immer.“
„War das nach dem Telefonat nicht klar für dich?“
„Ich weiß nicht. Ich bin so durcheinander, darf keinem trauen, alle konfro n tieren mich mit neuen, erschreckenden Dingen, mein Körper spielt verrückt und ich muss mich vom Feind entführen und fast töten lassen, um mehr zu e r fahren, ohne zu wissen, warum. Ich bin einfach erledigt.“
Adina hatte bisher einen gefassten Eindruck gemacht. Erst jetzt sickerte in sein Bewusstsein, wie es wirklich um sie stand. Viel von ihrer Stärke und ihrem Selbstvertrauen war nur gespielt. Sicher, um ihre Furcht zu verdrängen, und mit der Situation einigermaßen zurechtzukommen, aber vor allem, um beim Feind nicht wie eine leichte Beute zu wirken. Er drückte sanft ihre Hände. Gleichsam versuchte er, seine brechenden Knochen zu ignorieren, seinem Verstand einzubläuen, die illusionierten Schmerzen seien nicht existent.
„Das Amorphenherz ist ähnlich einer Amöbe. Es verändert ständig die Form und verwandelt dein Blut in amorphes Plasma, Amorphenblut. Dieses Herz ist der Zellkern – aus ihm entsteht der ursprüngliche Vampirkörper. Amorphen sind Einzeller, die anderen Zellen finden zu einer funktionieren den Einheit zusammen. Der Muskel produziert permanent Ionen, das sind elek t risch geladene Atome. Deshalb beherrscht ihr die Metamorphose in viele Formen, aber nur in einen humanoiden Körper.“
Sie nickte ihm langsam zu. Er hoffte, es begreiflich zu erklären.
„Das Herz beschleunigt die Mitose, deine Chromosomen und die DNS werden vervielfacht, es verbessert die Zellproliferation, so heilen die Wunden schnell und ohne Narbengewebe. Die Energie dafür holt es aus dem Blut, das es auch erwärmt. Du hast leichtes Fieber, deine Wandlung steht bevor.“
Adina schien gefangen von seinen Informationen. Er wollte sie nicht übe r fordern, doch ihm blieb wenig Zeit.
„Du wirst die Transformation nicht überleben , ohne einen Amorphen an deiner Seite. Du benötigst das Blut.“
„Oh!“
Gott, was hatte er nur angerichtet, als er die beiden trennte? Hätte er doch bloß vorher gewusst, wer Adina war. „Das FAL wird andere Jäger ausschicken. Du musst zu deinem Beschützer.“
„Lyon?“
Er runzelte die Stirn. Die Sonne ging bald auf. Die Bankangestellten öffn e ten den Tresorraum und Lyon würde sich auf die Suche nach Adina begeben. Er bezweifelte nicht, dass der König der Amorphen imstande war, ihn hier in seinem privaten Haus aufzuspüren. Und zum ersten Mal war es ihm egal. Er kämpfte innerlich gegen die Vorboten des Todes. „Bei ihm bist du in guten Händen.“
„Ha!“
„Bitte, Adina.“
Adina winkte ab und nickte betrübt. Sie vermittelte einen derart niederg e schlagenen Eindruck, er hätte sie am liebsten in den Arm genommen.
„Vor vier …“ Das angekündigte Inferno barst unerwartet in ihm. Er polterte vom Bett und wand sich brüllend auf dem Boden, trat und schlug wild um sich. Sein Verstand funktionierte noch, doch die Kontrolle über seinen Körper hatte er verloren. Tausende Fingerknochen, scharf wie Rasierklingen, enth o ben sich ihrer Gräber, verkrallten sich in seiner Haut, zerrten, rissen ihn in Stücke, wollten ihn hinabziehen in das Reich des Todes. Seine Opfer straften ihn ab. Das infernalische Martyrium zwang seinen Willen nieder, wollte die verbliebene Flamme des Lebens ersticken. Inzwischen sehnte er den Tod he r bei.
Grelles Sonnenlicht blendete ihn durch die geschlossenen Lider, er blinzelte schwach im Delirium der Schmerzen.
Adinas Schrei hallte nach. Zymon meinte zu sehen, wie zwei Magycen sie packten und
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