Lyon - A.M.O.R. 01
auf die Matratze, riss die Amorphin neben seinem Bett auf die Knie und bog den gefesselten und geknebelten Körper zu sich herunter. Frisch wirkte Amorphenblut eben am besten.
Adina blinzelte. Nur äußerst langsam träufelte ihr Verstand ihr ein, was g e schehen war, während die graue Decke über ihr wie Pudding waberte, auf sie zudriftete, Wellen warf wie im fürchterlichsten Sturm. Übelkeit stieg in ihr auf, verstärkte den Brechreiz in der Kehle. Sie lag waagerecht, dennoch schienen die Flüssigkeiten ihres Körpers wild zu sprudeln. Kaum ein Gedanke ließ sich zementieren.
Zeit verrann, bis sich Gewissheit verdichtete. Magycen hatten die Hütte g e stürmt und sie niedergeschlagen. Adina wollte sich über das Gesicht fahren, spürte aber in dem Moment ihre starren Glieder. Sie konnte sich keinen Mill i meter bewegen. Sie versuchte es erneut, obwohl es ein en Würgreflex au s löste. Keine Chance. Stahl presste sie auf einen Tisch, alle Gliedmaßen waren ang e kettet. Am schlimmsten drückte die Manschette um den Hals. Beim Schlucken schlug ihr Kehlkopf an. Ihr Nacken kniff dauerhaft und inzwischen wusste j e de Faser, was dies bedeutete. Der Feind war in der Nähe und hatte sie in se i nen Klauen. Panik kroch empor, als besprühte man sie mit eiskaltem Nebel. Kaltblütige Furcht lähmte sie, ließ ihre Glieder zu Trockeneis erstarren, die in Millionen Splitter zerspringen würden, bewegte sie sich.
Sie atmete so flach, sie erstickte fast. Murphys Gesetz schien Bestätigung zu finden: ‚Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen‘. Zymon-Ki hatte sie entgegen seiner Beteuerung doch verraten, er war nur zu schwach gewesen, sie abzuliefern. Verständnislose Wut erwärmte ihren Bauch, verdrängte ein wenig das Angstgefühl vor dem, was ihr bevorstand. Ihr Leben glich der A r beit in einigen New Yorker Notaufnahmen. Kaum setzte man den letzten Stich, landete das nächste Opfer mit Schusswunde auf dem Tisch hinter e i nem. Sie durfte den Gedanken nicht zulassen, die Situation wäre ausweglos. Durfte nicht verzagen, weil der Druckschmerz unter ihrem Brustkorb heftig pochte und es bedeutete, sie benötigte bald einen ihresgleichen, um zu überl e ben …
Aber sie durfte nicht hoffen, Lyon würde sie finden. Sie musste sich eige n händig befreien. Doch was sollte sie tun? Heiße Tränen straften ihre En t schlossenheit Lügen. Sie vermisste Lyon, sie brauchte ihn. Sie wollte sich in seinen starken Armen verkriechen, sich an ihn schmiegen und sich in Siche r heit fühlen. Verzweifelte Schluchzer entwichen ihren tauben Lippen.
„Hey.“
Adina blinzelte. Sie nahm alles verschwommen wahr, blickte wie durch einen Schleier zur Decke. Sie konnte ihren Kopf nicht bewegen, sah nicht, wer sie ansprach. Es klang dumpf, wie durch eine Wand. Weiblich … ein Amorph?
„Hey“, krächzte sie zurück.
„Oh, du bist wach. Bist du schon länger hier?“
„Nein.“ Was sollte diese Frage?
„Mist.“
„Na, vielen Dank.“
„Sorry!“
Adina versuchte, sich zu konzentrieren. Schenkte sie ihren Gefühlen Gla u ben, müsste sie mit einer Amorphin sprechen. „Hilfst du mir hier raus?“
Ein nervöses Kichern erklang. „Never, keine Chance.“
Adina rang um Fassung. „Bitte.“
„Hey, ich weiß auch nicht weiter. Verteufelter Irrgarten. Hast du was über einen Yaden gehört?“
„Ich stecke selbst in der Scheiße, falls dir das entgangen sein sollte.“
„Jeez, ist ja schon gut, tut mir leid.“
„Ich bin gerade zu mir gekommen. Du musst mir helfen!“ Adinas Kiefer zi t terte, Tränen rannen ihr über die fast tauben Schläfen. „Bitte, du bist doch ebenfalls … Hilf mir.“
„Da kommen welche. Ich werd’s versuchen.“
„Stopp, nein, warte! Bitte, lass mich nicht zurück. Bitte!“ Sie schluchzte. Die Ausweglosigkeit erdrückte sie, die hauchzarte Zuversicht versickerte in tee r schwarzer Schwermut. Das Zischen der Tür und hallende Männerschritte schürten ihre Verzweiflung.
„Endlich, sie ist wach. Dann kann’s losgehen.“
Ein frostiger Schwall durchdrang sie, sickerte in die tiefen Abgründe ihrer Ängste, als sich das Zwicken im Nacken verstärkte, sie folterte, eisblaue Augen sich vor ihr Gesichtsfeld schoben und sie gierig verschlangen.
Zymon führte Lyon abseits der von Magycen genutzten Pfade an der waldre i chen Nordseite der Halbinsel Gaspésie bis an die Ostspitze. Fünfzehn Meilen vor Gaspé hielten sie in Sichtweite schindelgedeckter Häuschen und
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