Lyon - A.M.O.R. 01
bog auf den Fußweg ab.
Ein unangenehmes Zwicken im Nacken ließ sie plötzlich alarmiert heru m fahren. Adina blinzelte, aber ihr fiel niemand auf, der sie beobachtete oder ve r folgte. Ihre neuen Instinkte wisperten mit ihr, Umsicht schien geboten. Traute sie ihnen? Sollte sie auf sie hören? Adina ging zügiger, als könnte sie vor sich selbst davonlaufen. Herrje, war sie wirklich dabei, verrückt zu werden?
Einige Minuten später erreichte sie endlich Emanuels Zuhause. Sie sah sich um, schlüpfte durch ein loses Brett eines hohen Zauns und hielt mit zittrigen Knien in einem großen Hinterhof mit Garagen inne. Bäume und Büsche sta n den in voller Blüte. Zaghaft klopfte sie mit einem Ring an das Holz der Hinte r tür. Durch den Vordereingang des Hotels wollte sie in ihrem Zustand nicht und auch sonst war es ihr recht, wenn keiner ahnte, wo sie sich aufhielt. Weil niemand öffnete, setzte sie sich und klopfte alle paar Minuten erneut. Früher hatte Emanuel sich im Laufe des Tages mehrfach in seinen privaten Bereich zurückgezogen, doch das Glück schien ihr heute nicht hold.
Nach einer halben Stunde öffnete sich plötzlich doch die Tür.
„Adina …!“
Sie fiel Emanuel um den Hals. Sie hatte ihn besonnen um Unterkunft für e i nen Tag und eine Dusche bitten wollen, doch als sie seinen erstaunt-besorgten Gesichtsausdruck sah, brach die Belastung der vergangenen Tage über ihr z u sammen. Sie schluchzte, verbarg den Kopf an seiner Brust, als er sie aus dem Stand auf die Arme hob, die Tür mit dem Hacken zustieß und Gänge entlanghastete. Er sagte keinen Ton, drückte sie fest an sein verschwitztes T Shirt. Sie wusste, er arbeitete gerade.
Emanuel stellte sie auf die Füße und betrachtete sie eingehend. Adina ve r suchte eisern, die Tränen zu unterdrücken. Es war sein privates Badezimmer, nicht eines der anderen seines extravaganten Fitnesshotels. Er nahm ihr G e sicht zwischen seine großen Hände und fuhr behutsam mit den Daumen unter ihren Augen her.
„Was ist dir nur passiert?“
Adina blickte ihn durch den Schleier an. Sein repräsentables Antlitz mit den harten Linien, dem gestutzten Bart, von Sorge erfülltes Mienenspiel. Wäre sie bei den Klippen gefallen, hätte sie ihn nie wiedergesehen.
Emanuel setzte sie auf den Toilettendeckel, stützte sie mit einer Hand am Schlüsselbein und ließ Wasser in den Eckwhirlpool laufen. Er lockerte ihren verkrampften Griff um die Tüte, kniete vor ihr nieder, um den Knopf der H o se zu öffnen. Sie zuckte zusammen.
Er nahm die Hände fort. Seine dunkelbraunen Augen sahen fragend, ske p tisch, beinahe ängstlich zu ihr empor. Doch er fragte nicht.
Tränen verwischten ihren Blick. Sie war durcheinander, erschöpft und fühlte sich fiebrig, doch das Schlimmste blieb, niemandem von alldem erzählen zu können. Emanuel half ihr auf und reichte ihr ein großes Badehandtuch. Dahi n ter streifte sie die Stoffhose von den Beinen. Sie trug keinen Slip und sie war froh, Emanuels Feingefühl immer noch vertrauen zu können.
Als er sich aufrichtete, seine Brust vor ihr schwebte, hörte sie das harte P o chen seines Herzens. Sie zuckte leicht zusammen. Es erschreckte sie immer wieder aufs Neue, es zu vernehmen. Kein Mensch dürfte so gut hören können. Er prüfte die Temperatur des Wassers, nahm ihre Hände und half ihr in die Wanne.
Adina tauchte bis zum Kinn unter und schloss die Augen. Das Schaumbad duftete nach Ginseng und rief ihr die Zeit mit Emanuel ins Gedächtnis. Sie musste sich mit aller Macht daran erinnern, ihn nicht nur ve r lassen zu haben, damit er sie nicht verlassen konnte, sondern auch aus anderen Gründen … die ihr gerade nichtig wie zarte Schleierwolken an einem strahlend blauen Himmel vorkamen. Sein Daumen fuhr über ihre Handfläche. Dan k barkeit erfüllte sie, weil er sich wie wohl niemand sonst zurückhielt, ihr keine r lei Fragen stellte, die sie eh nicht hätte beantworten können. Gleichzeitig kam sie sich unendlich schlecht vor, einfach nach einem Jahr ohne Ankündigung vor seiner Tür zu stehen und ihn mit ihren Problemen zu belasten. Aber momentan drückten Tonnen auf ihren Brustkorb und sie fand kaum genügend Kraft, zu atmen. Ihr Körper schien unter dem Fieberschub zu glühen. Was g e schah bloß mit ihr?
Es riss sie aus ihrer Trägheit, als Emanuel aufstand. Sie schluckte, reckte die Finger nach ihm. Alles, nur jetzt nicht allein sein.
Auf seiner Stirn zeigten sich Falten, ein unausgesprochener Schmerz lag in seinem
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