Lyon - A.M.O.R. 01
Ausdruck. Lange sahen sie sich an, unfähig, zu sprechen. Seine Brus t muskeln hoben und senkten sich rasch, die Tätowierungen auf seinen Obe r armen schienen zu leben. Schwerwiegendes bedrückte a n scheinend auch ihn, das über seine Sorge um sie hinausging. Emanuel durchlebte ein Tief in seinem ansonsten strahlenden Leben.
Ihre Augen weiteten sich, als er sich ihr wieder gänzlich zuwandte. Das N y lon der Hose auf seinen Lenden wölbte sich prall gefüllt. Sein Blick wanderte über den Schaum, der ihren nackten Körper verdeckte, zurück zu ihrem G e sicht. Emanuel fasste sich und ergriff ihre Hand. Er setzte sich auf den breiten Rand und streichelte ihre Handfläche.
„Ich geh nicht, Sweetheart. Schließ ruhig die Augen“, sagte er mit seiner t y pisch rauchigen und tiefen Stimme. Und sie tat sich und ihm den Gefallen.
Adina lag ausgestreckt auf dem Gästebett. Sie hatte nach dem Bad und einer Schlaftablette einige Stunden geschlafen und etwas gegessen, physisch ging es ihr besser. Ihre Gedanken allerdings schlugen bereits wieder Purzelbäume. I h re klare Weltsicht kollidierte mit den unerklärlichen Phänomenen. Sie war M e dizinerin, es blieb lebenswichtig für sie, den Dingen auf den Grund zu gehen, immer Antworten auf alle Fragen zu finden. So lebte sie eben. War sie gefo r dert, tat sie, was getan werden musste.
Sie nahm einen Apfel vom Nach t tisch und biss hinein. Elf Jahre Studium und Weiterbildungen und jetzt das. Sie war eine Helfernatur, sie wollte unb e dingt Neonatologin werden, und weil es ihr sehnlichster Wunsch war, und sie gut darin war, wollte sie unbedingt diesen Weg gehen und nahm die Unterstü t zung des Klosters an. Die Gebühren hatten sich zu Unsummen aufgetürmt. Sämtliches hinschmeißen – unmöglich. Sie hatte lediglich eine Auszeit ben ö tigt, um herauszufinden, was mit ihr vorging.
Und dann tauchte dieser Lyon auf, rettete auf unerklärliche Weise ihr Leben und verkomplizierte es gleichsam. Er wirbelte ständig in ihrem Kopf umher, als würden sie sich ein halbes Leben und nicht erst zwei Stunden kennen, als wäre mehr passiert als eine flüchtige Begegnung, ein Gefühl von mystischer Geborgenheit, einer innigen und prickelnden Verbindung. Er nistete sich frech in ihrem Schädel ein, als gehörte er genau dorthin.
Adina warf den Apfelstiel quer durchs Zimmer in den Mülleimer, legte den Unterarm über die Augen. Sie sollte vorgehen, wie sie es für gewöhnlich tat, egal, wie unbezwingbar die Hürde erschien. In ihrem Praxisjahr hatte ihr Team es geschafft, einem in der 23. Schwangerschaftswoche geborenen Frühchen ins Leben zu helfen. Sie dachte eine Weile nach und wählte die Handynummer i h rer damaligen Studienkollegin und Beinahe-Freundin Yasti. Die Inderin nannte sie stets Maus, weil Adina an dem Tag, an dem sie sich kennengelernt ha t ten, ein weißes Exemplar auf dem Campus vor trampelnden Schuhen und gra p schenden Händen rettete und ihm ein Zuhause gab. Adina vernahm erleic h tert, wie sehr Yasti sich über ihren Anruf freute. Sie verabredeten sich für morgen früh im Garten vor dem Morgen Stanley Children’s Hospital der C o lumbia University, in der sie ihr Medizinstudium abgeschlossen hatten.
Stundenlang versank Lyon im Wirrwarr seiner Überlegungen, bis er sich au f raffte , und im Adult Education Center von Portland internetfähige Computer fand, um sein Wissen auf den neusten Stand zu bringen. An den Tiefschlaf verschwendete er keinen Gedanken mehr. Er vergaß selten und die Aufnahme von Informationen glich der Schnelligkeit seiner Reflexe. Seine Pupillen flogen förmlich über die Seiten.
Mit jedem Jahrhundert war ihm alles unwichtiger erschienen, bis er schlie ß lich nur noch überprüfte, ob noch Frieden vorherrschte. Fahrlässig, leichtglä u big, naiv. Er kochte vor Wut, die heiß in seinem leeren Magen brodelte. Seine Furcht, jemandem zu begegnen, der ihm sein Verhalten nicht verzieh, weil er ihn nicht verstand, nicht verstehen konnte, hatte ihm das Genick gebrochen. Außerdem war er eiskalt belogen und hintergangen worden.
Es gab sieben Milliarden Menschen und Bashs Aussage zufolge noch ung e fähr tausend Amorphen. Bestürzend! Der Schock über die Zahl traf ihn schwer. Er durfte nicht darüber nachdenken. Die Lage war verheerend, vor a l lem , weil ihre Fortpflanzung derart kompliziert und langwierig war. Lyon wünschte sich, er wäre den Deal nicht eingegangen, hätte gekämpft oder sich zumindest intensiver vergewissert, ob
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