Lyon - A.M.O.R. 01
mich zukommt. Und das weißt du genau. Ist es nicht so?“
Lyon stemmte die Fäuste in die Hüften, was ihn noch gewaltiger aussehen ließ. „Gut! Du hast es so gewollt. Sag mir hinterher nicht, du hättest es nicht wissen wollen.“ Er warf ihr einen bitterbösen Blick zu, der ihre Erwiderung im Keim erstickte. „Ich war relativ jung, als meine Familie starb und ich König wurde. Ich war naiv, dachte, ich könnte es besser machen, dem damals seit 294 Jahren andauernden, erbitterten Krieg gegen die Magycen ein Ende setzen. Ich versuchte ein Jahr lang, Kontakt zu Monarch Gaudor Tomac herzustellen, wie mein Vater es zuvor jahrzehntelang versuchte, um endlich einen Dialog zu führen. Es gab nie ein offenes Gespräch, um Missverständnisse auszuräumen. Seit Jahrtausenden gegenseitige Ablehnung, Provokationen und gewaltsame Übergriffe, die 1250 zum Feldzug führten. Amorphen stehen … standen an der Spitze der Vampirrassen. Wir sind magisch versierte Formwandler, eitel, aber friedliebend.“
Lyon schloss kurz die Lider, rang offensichtlich mit seiner Fassung. „Ich allein besiegelte den Untergang meiner Spezies, als ich in die Festung der Magycen eindrang und des Mordes an der Monarchentochter bezichtigt wurde. Statt erhoffter Friedensgespräche brachte ich das Pulverfass zur Explosion. Die Fehde, ausgetragen bis dahin auf den Kriegsschauplätzen, wurde über Nacht zu einer weltweiten, brutalen Hetzjagd durch die uns zahlenmäßig weit überlegenen Magycen auf uns. 1545 war der Höhepunkt des Hasses erreicht, sie trieben unzählige Amorphen zusammen und töteten jeden einzelnen. Sie überfielen Schloss Salassar, aber an mich kamen sie nicht heran. Viele starben, um mein Leben zu schützen.“ Seine Stimme brach, doch er ragte wie ein brodelnder Vulkan vor ihr auf. „Und, willst du nun immer noch ein Amorph werden?“
Gefangen von der Erzählung und seiner Vergangenheit sank sie auf den Rand des Springbrunnens. „Hast du sie umgebracht?“
„Die Monarchentochter? Nein, Ellenja war schon tot, als wir in Gaudor Tomacs Festung eindrangen. Sie wollte uns helfen. Dennoch, ich habe sie und all die anderen auf dem Gewissen. Jeden Einzelnen.“
Sie nickte nachdenklich. „Herrscht weiterhin Krieg?“
„Nein. Dazu waren wir bereits 1545 zu wenige. Danach bildeten die Magycen Kopfgeldjäger aus.“
„Magycenvampire, die Amorphenvampire jagen und zur Strecke bringen?“, murmelte sie, als würde sie es sich erklären.
Lyon nickte.
„War das im Wald einer?“
„Wohl nur ein normaler Magyc.“
„Deshalb haltet ihr euch verborgen?“
Lyon stimmte zu. Adina beschlich das Gefühl, dass er hinter seiner Fassade noch weitaus mehr versteckte. Doch sie sah, wie schwer es ihm fiel, darüber zu reden. Sie wollte ihn nicht drängen, aber ein bisschen mehr musste er schon erzählen. Obwohl es für ihr Leben sowieso keine Alternative gab, die Wandlung stand bevor. Inzwischen glaubte sie, sich damit abgefunden zu haben, ein … Vampir zu werden. Ihre Seele, ihr Gespür und ihre Fähigkeiten, die von Tag zu Tag zuzunehmen schienen, waren nie die eines gewöhnlichen Menschen gewesen. Erst jetzt wurde sie sich dessen wirklich bewusst. „Du sprachst vom Untergang deiner … unserer Spezies. Weshalb?“
Er blickte sie an. Seine Augen glichen unendlich traurigen Universen. „Weil wir bis auf wenige ausgerottet wurden und weil wir keine Nachkommen mehr zeugen können.“
„Und ich …?“ Adina sah an sich hinab, als könnte sie erkennen, von wem sie stammte.
„Du bist wohl die Letzte, die geboren wurde. Ein Einzelfall.“
Adina zitterte. Das war nicht ganz das, was sie erwartet hatte. Er seufzte. Es zuckte ihr durch Mark und Bein, fachte ihren Unglauben an. „Vielleicht ist es mein Schicksal, dir zu helfen?“
„Oh Mann! Verstehst du denn nicht? Es gibt keinen Ausweg, keine Zukunft für uns. Ich bin ein nutzloser König ohne Macht. Ich habe keinen Einfluss. Meine Kraft ist fast weg, wie meine magischen Fähigkeiten. Und ich habe keine Ahnung, wie ich die Amorphen retten kann. Ich wäre am liebsten nicht ich!“
Autsch. Der Schlag ging tief. Auch wenn er mit uns nicht sie und ihn gemeint hatte.
Lyon schlug mit der Faust gegen die Wand, der Raum bebte, dann verschwand er wortlos. Adina stieß einen Schrei aus. Nicht, weil er auf einmal fort war, sondern weil jemand sie plötzlich hochhob. Die Flügeltüren klappten auf und sie flogen über den Balkon in die Wolken hinaus. Nebulöse Arme drehten sie, der
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