Lyon - A.M.O.R. 01
zwischen sich. Ihre Füße berührten die runden Steine im Becken kaum, als wäre sie federleicht. Lyon lächelte sie an, dann schloss er die Augen.
Das sprudelnde Regenbogenwasser verließ die üblichen Bahnen, umspielte ihre und seine Handgelenke, wand sich die Arme hinauf. Das warme, farbenfrohe Wasser umfloss ihren Körper, liebkoste sie und entlockte ihr entspanntes Ausatmen. Feine Wasserfontänen sprudelten durch die Luft, glitzerten wie bunter Feenstaub und strichen ihr wie Daunen über die Härchen ihrer Haut, streichelten ihre Schultern und rannen an der Wirbelsäule hinab. Adina senkte die Lider, gab sich den reinen, prickelnden Empfindungen hin, versank in dem Gefühl einer innigen Verbindung, die ihre Vorstellungskraft sprengte und sie bannte. Sie erschufen einen Kreis der Unendlichkeit, mystisch verbunden durch ihre Seelen.
Das sinnlichste Erlebnis ihres Lebens.
Adina erwachte aus ihrem Rauschzustand, als Lyon sie auf dem Marmorboden auf eine Decke bettete und sich neben sie legte. Sie fühlte sich wie nach einer warmherzigen Umarmung eines Engels. Lächelnd rutschte sie dicht an seinen breiten Körper heran. Sein Atem ging schwer, wie ihrer, sein nasser Brustkorb hob sich mit ihr an und senkte sich hinab, seine Muskeln zitterten leicht. Was sie verspürte, war unbeschreiblich, wenn er ihre Nähe zuließ. Adina schmiegte sich an ihn, genoss Haut an Haut seinen Herzschlag an ihrem Ohr. Ihre Finger glitten träge über die festen Wellen seines Sixpacks, imitierten den zähen Fluss ihrer Gedanken. Seine Arme legten sich um ihren Oberkörper, schenkten ihr Geborgenheit. Er war ein Fremder und ihr doch irgendwie gar nicht fremd. Sie fühlte sich bei ihm sicher, hatte sich leichtgetan, sich zu öffnen, sich fallen zu lassen, sich ihm völlig hinzugeben. Noch nie war sie einer derartigen Gefühlsekstase erlegen. Sie hatten sich auf einer höheren Ebene verbunden, anders konnte sie es sich nicht erklären. Unglaublich, wozu Lyon imstande war.
Adina überlegte, was als Amorph alles möglich schien, auch wenn ihr bewusst war, wie düster die Zukunft aussah. Er bemerkte ihren Gefühlsumschwung und sah an seiner Brust herab, ihr ins Gesicht. Die tiefen Narben, die unendliche Reue und Wut in seinen Augen holten sie auf den Boden der Tatsachen zurück, obwohl seine Hände ihr das Rückgrat hinabfuhren. Er war teuflisch, hatte sie längst um den Finger gewickelt. Trotzdem oder gerade deshalb musste sie auf eigenen Füßen stehen. Sie schenkte äußerst selten jemandem Vertrauen. Eigentlich noch niemandem. Es mutete unheimlich an, aber ihr Körper tat es bei Lyon von Anfang an. Einem Fremden. Einem Wesen! Ihr Sturkopf hingegen war frei und würde es immer bleiben. Sie musste frei sein. Sie wollte nicht zu etwas gezwungen werden, was sie nicht selbst entschieden hatte …
Sie hatte keine Wahl, diese Erkenntnis überkam sie mit einer erschütternden Klarheit. Sie war ihrer Vorsehung ausgeliefert, wusste, zu was sie mutierte und was die Zukunft als Amorph für sie bereithielt. Sie fühlte sich gefangen, und egal, wie sehr Lyon versuchte, sie auf andere Gedanken zu bringen, brodelte in ihr eine trotzige innere Stärke ebenso wie pure Verzweiflung. Sie klammerte sich verbissen an das Positive, wollte auf ihre Kraft hören, da sie nur sich vertraute. Das war sie, ihre Power, ihre Energie, ihr unabhängiger Charakter. Dazu die Fähigkeiten und Stärken eines Vampirs. Sie hätte jeden eingewiesen, der vor einer Woche Derartiges behauptet hätte, doch im Endeffekt spürte sie die Veränderungen schon wesentlich länger. Gott, ihre Gedanken und Gefühle schwankten zwischen Weglaufen und Hingeben, zwischen Liebe und Hass.
„Wo sind wir eigentlich?“, brachte sie recht schroff hervor.
Sein Blick verdüsterte sich. Reglos lag er da. Sie hatte mit Ähnlichem gerechnet, langsam konnte sie ihn einschätzen.
„Spielt das eine Rolle?“ Er versuchte sich an einem Lächeln.
„Du hast mir nicht die volle Wahrheit erzählt, oder?“
Er schien zur Salzsäule erstarrt, zeigte keine Reaktion.
„Du traust mir nicht.“
Seine Brauen verengten sich, sein Kiefer malmte.
„Oder du behandelst mich einfach wie ein rohes Ei.“
Lyon starrte sie nur an.
Sie entfernte sich von ihm. „Ich erhalte nur die Allgemeinkost, nicht wahr? Die ganze Wahrheit verschweigst du mir.“ Lyon schloss die Augen und drehte den Kopf weg zum Balkon. Am liebsten hätte sie ihm einen Tritt verpasst, obwohl er ja eigentlich nichts für ihre
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