Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
verstehen?«
»Eine halbe Stunde.«
»Ich werde warten. Bringt mir eines von jenen Brathühnchen dort, einen Laib frischen Brotes und eine Flasche guten Weines.«
»Zeigt mir erst Euer Geld.«
»Wenn Rughalt kommt.«
»Wenn Rughalt kommt, bringe ich Euch das Huhn.«
Carfilhiot murmelte eine Verwünschung und stapfte zur Tür. Der dicke Mann schaute ihm nach, ohne daß sich sein Gesichtsausdruck änderte.
Carfilhiot setzte sich auf eine Bank vor dem Gasthof. Endlich tauchte Rughalt auf. Er bewegte sich langsam und vorsichtig vorwärts, indem er mühsam einen Fuß vor den anderen setzte. Mit gerunzelter Braue beobachtete Carfilhiot Rughalts Nahen. Rughalt trug die modriggrauen Kleider eines Pädagogen.
Carfilhiot erhob sich. Rughalt hielt überrascht inne. »Sir Faude!« rief er. »Was macht Ihr denn hier, und in solch einem Zustand?«
»Durch Verrat und Hexerei geriet ich hierher; wie sonst? Führ mich zu einem anständigen Gasthof, der hier taugt nur für Kelten und Aussätzige.«
Rughalt rieb sich das Kinn. »Der ›Schwarze Ochse‹ ist drüben am Platz. Doch sollen dort Wucherpreiseverlangt werden. Für eine Übernachtung muß man dort in Silber bezahlen.«
»Ich trage keine Mittel bei mir, weder Silber noch Gold. Du mußt für mich bezahlen, bis ich wieder zu Geld gekommen bin.«
Rughalt wand sich. »Die ›Fischende Katze‹ ist so übel auch nicht. Gurdy, der Wirt, wirkt nur auf den ersten Anschein so unwirsch.«
»Pah! Er und sein elender Schuppen stinken nach ranzigem Kohl und noch Schlimmerem. Bring mich zum ›Schwarzen Ochsen.‹«
»Wie Ihr wünscht. Vorwärts, ihr kranken Beine! Die Pflicht ruft!«
Im »Schwarzen Ochsen« fand Carfilhiot die Unterkunft seinem Geschmack angemessen, auch wenn Rughalt die Augen verdrehte, als er die Preise hörte. Ein Kurzwarenhändler hatte Kleider ausliegen, die Carfilhiot als seinem Stande und seiner Würde gemäß befand. Zu Rughalts Entsetzen jedoch weigerte sich Carfilhiot, um den Preis zu feilschen, und Rughalt entlohnte mit gequälter Miene und sich sträubender Hand den listigen Wucherschneider.
Carfilhiot und Rughalt setzten sich an einen Tisch vor dem »Schwarzen Ochsen« und beobachteten das Volk von Avallon. Rughalt bestellte zwei bescheidene Halbe beim Schankkellner. »Wartet!« hielt Carfilhiot ihn zurück. »Ich habe Hunger. Bringt mir eine Portion gutes kaltes Rindfleisch mit etwas Lauch und einem ordentlichen Kanten frischen Brotes, und dazu einen Schoppen von Eurem besten Bier.«
Während Carfilhiot seinen Hunger stillte, schielte Rughalt ihn mit so augenfälligem Mißfallen von der Seite an, daß Carfilhiot ihn schließlich fragte: »Warum ißt du nichts? Du bist dürr geworden wie ein alter Lederriemen.«
Rughalt erwiderte mit verkniffenem Mund: »Um die Wahrheit zu sagen, ich muß sparsam mit meinen Mitteln umgehen. Ich lebe hart am Rande der Armut.«
»Was? Ich dachte, du wärst ein erfahrener Taschendieb, der auf allen Jahrmärkten und Festen von Dahaut zu Hause ist.«
»Das ist nicht mehr möglich. Meine Knie verhindern jedes blitzschnelle Untertauchen in der Menge, das ein so wesentlicher Bestandteil dieses Gewerbes ist. Ich verkehre nicht mehr auf den Märkten.«
»Gleichwohl scheinst du offensichtlich nicht gerade notleidend.«
»Mein Leben ist nicht leicht. Zum Glück kann ich gut im Dunkeln sehen, und so arbeite ich jetzt des Nachts in der ›Fischenden Katze‹, wo ich die Gäste im Schlaf beraube. Doch auch dabei sind mir meine knirschenden und knackenden Knie ein Hindernis, und da zudem Gurdy, der Wirt, einen Anteil von meinen Einkünften einstreicht, vermeide ich unnötige Ausgaben. In diesem Zusammenhang: Werdet Ihr lange in Avallon weilen?«
»Nicht lange. Ich will einen gewissen Triptomologius aufsuchen. Ist dir dieser Name bekannt?«
»Er ist Nekromant. Er handelt mit Elixieren und Zaubertränken. Was wollt Ihr von ihm?«
»Als erstes und wichtigstes wird er mich mit Gold ausstatten, soviel ich brauche.«
»In diesem Falle laßt Euch doch so viel von ihm geben, daß es für uns beide reicht!«
»Wir werden sehen.« Carfilhiot erhob sich. »Laß uns Triptomologius aufsuchen.«
Mit knirschenden und knackenden Knien stand Rughalt ebenfalls auf. Die beiden gingen durch die Seitenstraßen und -gassen von Avallon zu einem düsteren kleinen Laden auf einem Hügel über der breiten Mündung des Murmeil-Flusses. Eine schlampige alte Vettel mit einer riesigen Hakennase, die fast das vorspringende Kinn berührte,
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