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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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der Einmündung zweigte der Weg zu einem von Sträuchern und Bäumen gesäumten, weiherartigen Nebengewässer der Isar ab. Der versteckt gelegene, schmutzig aussehende Tümpel befand sich am Rand einer weitläufigen Sportanlage nahe des Mittleren Rings. Zwei einsame Schwäne zogen ihre Bahnen.
    Am Ufer stand ein Rot-Kreuz-Wagen. Zwei Sanitäter kümmerten sich um eine Frau, die auf einer verwitterten Parkbank saß, eingehüllt in eine dicke braune Wolldecke und mit einer zusätzlichen grauen Decke über dem Kopf. Mit zitternden Händen trank sie heißen Tee aus einer Tasse. Neben ihr lag eine durchnässte Plastiktüte. Ein etwa dreißigjähriger Mann und eine gleichaltrige Frau – beide im Trainingsanzug mit Schal und Mütze – hüpften ungeduldig auf der Stelle. Als sie Hauptmeister Jordan und dessen Kollegen bemerkten, stieß die Frau ihren Begleiter an, und sie liefen ihnen entgegen.
    Süden erkannte die Frau auf der Bank schon aus der Entfernung.
    Auch der zweite Streifenwagen war inzwischen eingetroffen.
    Süden wartete, bis Edith Liebergesell näher kam, dann ging er um die Bank herum. Patrizias Gesicht war grau wie Stein und wirkte alt und ausgehöhlt, ihre bleichen Lippen zitterten stärker als ihre Hände. Ihr Blick aus großen, blutunterlaufenen Augen starrte ins Leere. Eine Sanitäterin nahm ihr die Tasse aus der Hand. Ihr Kollege stand mit dem Erste-Hilfe-Koffer ein wenig unschlüssig hinter ihr.
    »Patrizia«, sagte Süden.
    Sie hob den Kopf und sah ihn wie einen Fremden an. Oder sie sah ihn überhaupt nicht. Nichts in ihrem Gesicht verriet eine Reaktion.
    »Sie war wohl sehr stark angetrunken.« Die Sanitäterin war etwa im selben Alter wie Patrizia und redete in einem eigenartigen Singsang. »Als die beiden Herrschaften sie gefunden haben, lag sie zwischen den Bäumen und versuchte immer wieder aufzustehen. Sie ist durchnässt, offensichtlich ist sie ins Wasser gefallen und konnte zum Glück wieder rauskriechen. Am besten, wir nehmen sie mit.«
    »Nicht ins Krankenhaus …« Süden erkannte Patrizias Stimme kaum wieder. Edith setzte sich neben Patrizia und legte den Arm um ihre Schulter. »Ich will schlafen … bitte …«
    »Sind Sie verwandt mit ihr?«, fragte der Sanitäter.
    »Wir sind Kollegen«, sagte Edith Liebergesell. »Wir bringen sie nach Hause und kümmern uns um sie.«
    Polizeihauptmeister Jordan sah Patrizia eindringlich an und wandte sich an Süden. »Alkohol also. Sie hat getrunken und im Rausch die Orientierung verloren. Was ist in der Tüte?«
    Nach einem Schweigen sagte Süden: »Ich weiß es nicht.«
    Der Tag war grau und windig und abweisend. Die schwarzen Sträucher hingen wie verknotet ineinander, auf dem braunen Wasser schwammen Abfälle und abgebrochene Äste. Winterlich gekleidete Spaziergänger bildeten einen Kreis, einige hielten Hunde an der Leine. Hin und wieder schrie eine Krähe.
    »Somit ist der Einsatz beendet«, sagte Jordan.
    »Danke«, sagte Süden.
    »Sieht nicht gut aus, die Frau. Sollen wir sie und euch mitnehmen? Ausnahmsweise.«
    Die Sanitäter warteten ab.
    »Kannst du aufstehen?«, fragte Edith Liebergesell.
    Patrizia stützte eine Hand auf die Bank und stemmte sich in die Höhe. Sie warf Süden einen erstaunten Blick zu und schien zu lächeln. Er war sich nicht sicher. Mit winzigen wackligen Schritten, die beiden Wolldecken über Kopf und Schulter, trippelte Patrizia, gestützt von Süden und Edith, zum Streifenwagen. Edith gab die Decken der Sanitäterin zurück und setzte sich auf der Rückbank neben Patrizia, die schlotternd den Kopf an ihre Schulter lehnte.
    »Sie ist robust«, sagte der Sanitäter zu Süden, der die nasse Plastiktüte mitgenommen hatte. »Nimmt sie Drogen?«
    »Nein. Gewöhnlich trinkt sie auch nicht so viel.«
    »Beobachten Sie, wie es ihr in den nächsten zwei Stunden geht. Kontrollieren Sie Puls und Atmung. Im Moment ist ihr Blutdruck sehr niedrig. Wenn Sie Anzeichen einer Bewusstlosigkeit bemerken, rufen Sie sofort den Notarzt. Immerhin kann sie schon wieder aufrecht gehen, das ist ein gutes Zeichen. Wenn Sie sagen, dass sie normalerweise nicht trinkt, dann könnte es sein, dass K.-O.Tropfen im Spiel waren, und sie erinnert sich an nichts mehr. Versuchen Sie, mit ihr zu reden, am besten, bevor sie sich wieder hinlegt. Alles Gute.«
    Die K.-O.-Tropfen erwähnte Süden gegenüber Jordan mit keinem Wort, während sie zurück in die Untere Weidenstraße fuhren. Wie bei seinen regelmäßigen Taxifahrten saß er hinter dem

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