Macabros 020: Die Blutgärten von Sodom
Lippen. »Dann gibt es für uns keine
Sicherheit.«
Arson preßte die Lippen zusammen. »Keine
hundertprozentige, nein. Die Schattenwesen können sich jederzeit
zum Angriff formieren – oder einer von uns verliert den Verstand
und tut irgend etwas Unsinniges, weil eine fremde Macht seinen Geist
steuert. Hier in den Kabinen des Zeitschiffes sind wir
verhältnismäßig sicher und brauchen nichts zu
befürchten. Aber wir benötigen Essen und Trinken. Beides
gibt es draußen in Hülle und Fülle. Die Quellen sind
sauber, die Wurzeln, Früchte und Pilze genießbar. Sie
unterscheiden sich in nichts von tausend anderen Pflanzen dieser
Gattung. Sodom ist ein Teil der Erde in einer anderen Zeit, auch wenn
die Zeit hier stillsteht. Böse Gedanken und unsichtbare
Schattenwesen, die Molochos vollends ergeben sind, bestimmen den
Ablauf. Manchmal nehmen sie Gestalt an. Sie wirken freundlich und
sind bemitleidenswert, denn einer, der hier festsitzt, wird im
Glauben sein, einen Leidensgenossen gefunden zu haben, dem er –
ist er besser dran – helfen muß oder dem er sich
anschließen kann. Aber der andere wird ihn ins Verderben
führen.«
»Welch teuflisches Spiel«, wisperte Brenda Watkins.
Immer mehr wurde ihr klar. »Man weiß dann nicht: ist der
andere wirklich in Not oder wird nur eine Halluzination vorgegaukelt.
Es muß Sie viel Überwindung gekostet haben, Ihre sichere
Oase hier zu verlassen und uns zu Hilfe zu eilen.«
»Ich beobachte Sie beide schon eine ganze Zeitlang. Ich war
mir nicht sicher, ob man mich nur an der Nase herumführen und
mir eine Falle stellen wollte. Aber als sich die Situation zuspitzte,
habe ich es riskiert und griff ein.«
»Und Sie sind sich ganz sicher, Arson, daß wir keine
Attrappen, sondern wirkliche Menschen sind?«
»Ja, Miss Watkins. Sonst könnten Sie und Ihr Vater es
nicht ertragen, hierzusein.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ganz einfach: das Zeitschiff ist ein Kriterium. Es gehen
Einflüsse von hier aus, welche den Schattenwesen unsympathisch
sind. Sie spüren eine Gefahr – da fühlen sie sich
nicht mehr wohl. Das Zeitschiff ist manövrierunfähig
geworden. Die Umsetzer von Materie in Energie sind defekt. Das
bedeutet aber nicht, daß das Schiff überhaupt nicht mehr
in der Lage ist, Materie in Energie umzuwandeln. Was sich in den
Brennkammern befindet, reicht aus, um aus Sodom einen Glutofen zu
machen und es ein für allemal auszulöschen. Die Geister von
Sodom können nicht fliehen. Dies ist ihre Welt. Wenn sie nicht
mehr ist, existieren auch sie nicht mehr. Aber in einem solchen Fall
bliebe auch von uns nichts mehr übrig. Vorerst können wir
noch hoffen, daß man uns findet. Bevor der Schaden eintrat,
gelang es mir, einen Notruf abzusenden. Die Suche nach mir hat
begonnen. Aber wir müssen warten, ob man die Stelle auch ortet
– und ob es wirklich Freunde sind, die dann kommen.«
»Wie meinen Sie das?«
Arson wandte sich ab und ging auf eines der runden Fenster zu, die
mit einem opalisierenden Glas versehen waren. Nur wenn man in einem
ganz bestimmten Winkel und dicht genug vor ihnen stand, konnte man
hinaussehen. »Ich habe bereits erwähnt, daß auch
Molochos-Diener in Menschengestalt hohe Positionen errungen haben und
Verrat üben. Sie sabotieren, vernichten, verfügen über
Zeitschiffe, sind Menschen wie wir – und doch keine Menschen!
Daß Sie hierher in die Blutgärten von Sodom geschleudert
wurden, ist ein Beweis für die Existenz der Satanischen. Sie
gerieten in einen Energieblitz, als ein Zeitschiff jenen Punkt
streifte, an dem Sie sich gerade befanden. Ein Unglücksfall.
Raum und Zeit veränderten sich für Sie. Sie
materialisierten hier in den Blutgärten. Die Dämonischen
kontrollieren also wie wir die Zeiten, wenn auch unter
grundverschiedenen Voraussetzungen. Wir wollen Klarheit über
deren Wege in den diversen Zeiträumen gewinnen und wollen
herausfinden, zu welchen Begegnungen es mit Menschen gekommen ist.
Das hat geschichtliche, aber auch praktische Bedeutung für unser
Leben. Die anderen aber sind auf der Suche nach einem Mann, den sie
vernichten wollen und der den Grundstein für ihre
Auslöschung legte. Dieser Mann heißt Björn
Hellmark.«
*
Wie durch Watte vernahm er den Schrei.
Er schlug die Augen auf. Björn war sofort hellwach. Jemand
rief um Hilfe.
Er richtete sich auf, hörte das unterdrückte Gurgeln,
das langgezogene »aaahhhgh« und handelte sofort.
Das kam unten vom Fluß her…
Um Zeit zu gewinnen, konzentrierte er sich auf
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