Macabros 024: Marionetten des Schreckens
förmlich mit ihr fachsimpeln. Und nicht mal das fand er
langweilig!
Er kannte sich selbst nicht mehr.
Für ihn war so etwas wie ein Wunder geschehen.
Er konnte es nicht in Worten fassen.
Cheryl, die er seit drei Stunden kannte, saß glücklich
neben ihm und fuhr mit ihm nach Hause.
Sie hatte den Kopf leicht an seine Schultern gelehnt, streichelte
zärtlich seinen Oberarm und summte leise ein Lied vor sich
hin.
Er war leicht beschwipst und fuhr nicht sehr vorsichtig. Er hatte
Glück, von keiner Streife angehalten oder in einen Unfall
verwickelt zu werden. Bisher war es immer gutgegangen.
Der Parkplatz war von kleinen Bäumen umstanden, die vor einem
Jahr gepflanzt worden waren.
Durch die Kingsroad mit den vielen kleinen Häusern und den
eisernen Geländern, welche die schmalen Treppen außen
zierten, fuhren zu diesem späten Zeitpunkt nur wenige Autos.
Die vielen kleinen bunten Läden mit ihren reizvollen
Angeboten hatten geschlossen und waren jetzt beleuchtet. Die
Restaurants und Pubs hatten um diese Zeit längst nicht mehr
offen. Hier wurde ab zehn Uhr abends kein Alkohol mehr
ausgeschenkt.
Offiziell…
Was hinter geschlossenen Fenstern und Läden in den Lokalen
nach dieser Zeit geschah, sah das Auge des Gesetzes nicht. Aber wenn
es zu einer Razzia kam, dann hagelte es empfindliche Geldstrafen, und
oft war das auch mit dem Verlust der Lizenz gekoppelt.
Das Hochhaus lag ziemlich am Ende der berühmten Londoner
Straße, in dem viele Schauspieler, Künstler und angesehene
Geschäftsleute wohnten.
Poul Hardy schlug den Kragen seines Jacketts höher. Es hatte
angefangen zu nieseln, und der kühle Wind trieb ihnen die
Nässe ins Gesicht.
Der Antiquitätenhändler legte seinen Arm um die
leichtgekleidete Cheryl, die außer einer Stola nichts weiter
sonst über ihrem moosgrünen Kleid trug.
Sie liefen zum Hauseingang unter das vorspringende Betondach und
lachten. Er nahm sie in seine Arme und küßte seine
Begleiterin, ihre Augen, ihre Nase, die taufeuchten Regentropfen von
ihrem verführerisch und frisch duftenden Mund.
Sie schlang die Arme um seinen Hals und preßte den Mann an
sich. Sie lachten.
Er wußte: wir benehmen uns kindisch, aber seltsamerweise
störte er sich nicht daran.
Lachend betraten sie den Korridor und warteten auf den Lift, der
von ganz oben herunterkam.
Durch die Türritzen einer Parterrewohnung sahen sie
plötzlich Licht fallen. Jemand pochte gegen die Tür.
»Was soll denn der Lärm?« fragte eine
krächzende Stimme.
»Wer macht denn hier Lärm?« reagierte Hardy, seine
Stimme verstellend.
»Na, das werden wir ja gleich feststellen!« Der Riegel
hinter der Tür schnappte zurück, Schlüssel drehten
sich. Mit leiser Stimme fluchte die Frau in der Wohnung vor sich hin.
»Unverschämtheit!« brüllte sie.
»Sie nehmen’s mit der nächtlichen Ruhe aber auch
nicht so genau!« sagte der junge Geschäftsmann mit dumpfer
Stimme, direkt durchs Schlüsselloch.
In der Wohnung gab’s einen erschreckten Aufschrei.
In diesem Moment war der Lift da. Cherryl öffnete sofort die
Tür. Lautlos wie zwei Schatten huschten sie in den Fahrkorb, und
Poul Hardy drückte den Knopf.
Knackend drehte sich der Schlüssel im Schloß und eine
alte Frau, mit Lockenwicklern im Haar und einem schmuddeligen
Bademantel um, der ihr zu weit und zu lang war, so daß er auf
dem Boden schleifte, kam aus der nach abgestandenem Fett und Whisky
riechenden Wohnung.
Der Duft verfolgte die beiden bis nach oben.
»Wahrscheinlich trinkt sie zu ihren Pommes frites
regelmäßig ’ne Flasche Whisky, um sie
runterzuspülen«, bemerkte Poul Hardy grinsend, die Nase
rümpfend.
Die Alte schüttelte ihre faltige Faust, lief auf den Lift zu
und versuchte noch einen Blick durch das schmale Sichtfenster der
Tür zu erhaschen, um festzustellen, wer um diese Zeit noch einen
solchen Lärm veranstaltete. Dann drückte sie auf den Knopf,
bis die Aufschrift ’Lift kommt’ erschien, und stemmte ihre
Hände in die Hüfte.
Zwei Minuten später rauschte der Aufzug nach unten. Sie
öffnete die Tür. Es war niemand drin.
Unverrichteterdinge und leise vor sich hinschimpfend, eilte sie
mit unsicheren Schritten zu ihrer Wohnungstür und knallte sie
ins Schloß, daß man glauben konnte, sämtliche
Fenster in diesem Geschoß flogen aus dem Rahmen.
Hardy und seine Begleiterin bekamen von diesen Dingen nichts mehr
mit. Er wohnte genau unter dem Dach.
Zuerst führte der Mann seine neue Freundin durch
sämtliche Räume. Cheryl zeigte sich
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