Macabros 024: Marionetten des Schreckens
dachten wieder an Krentzer und wußten, daß das
keine leeren Worte waren.
Sindom schluckte. »Du wirst uns die Freiheit
schenken?«
»Ja.«
»Wer gibt uns die Gewißheit, daß es stimmt, was
du uns sagst?«
»Ihr müßt es glauben.«
»Das ist uns zu wenig, Horst.«
Sindom wußte selbst nicht, wie er dazu kam, dem Ungetüm
diesen Namen zu geben. Aber diese Stimme!
»Ich bin ein Schatten. Ich kann euch töten, auf der
Stelle, wenn ihr meinen Anordnungen keine Folge leistet.«
Sindom kämpfte einen inneren Kampf aus. Dieses andere, dieses
Etwas, das keinen Namen hatte und sich nur Schatten nannte, war
mächtig, aber offenbar doch nicht so, daß es ohne ihre
Hilfe auskam. Daraus mußte man Kapital schlagen.
»Beweise uns, daß du es ernst meinst! Wie können
wir zurück?«
»Über die Seile.«
»Die sind zerstört.«
»Habt ihr euch Gedanken darüber gemacht, wer sie
zerstört haben könnte? Ich war es gewesen, um euch hier
festzuhalten.«
»Du kannst sie wieder reparieren?«
»Ja.«
»Beweise es.« Sindoms Stimme wurde von Mal zu Mal fester
und selbstsicherer. Er war wieder ganz der Alte und gab sich
äußerlich ruhig, obwohl in seinem Innern ein Vulkan
brodelte.
Was jetzt geschah, war wie Zauberei.
Das eine Seil, das Sindom zuerst herabgezogen hatte, geriet
plötzlich wie von unsichtbaren Händen gezogen, in Bewegung,
entwirrte sich, schlängelte sich blitzschnell die dunkle,
feuchte Felswand empor und hing straff und leise baumelnd vor
ihm.
»Probier es!« forderte ihn Krentzers Stimme aus dem Maul
des Götzen auf.
Walter Sindom gehorchte. Das Seil hielt, als er daran zog und sich
hochhangelte.
»Vielleicht bilden wir uns das alles nur ein und sind die
Opfer von Trugbildern.«
»Was für Beweise willst du noch?« Krentzers Stimme
hallte dumpf dröhnend durch den unterirdischen Felsentempel der
Schattenrasse, der in grauer Vorzeit Menschenopfer dargebracht wurden
und die von geheimnisvollen, friedliebenden Kräften, die sich
weißmagischer Künste bedienten, in eine Gefangenschaft
gebracht worden waren, der sie sich nun entledigen wollten.
»Laß mich hinauf! Ich will sehen, ob du dein Wort
hältst, ob ich wirklich zurück kann.« Walter Sindom
reizte sehr hoch.
»Narr!« Hart und eisig klang die Stimme, und Sindom war
so erschrocken, daß er zusammenfuhr und seine Hände zu
Fäusten ballte, so daß sich die Fingernägel in die
Handinnenflächen bohrten. »Wie kannst du es wagen, mir
Bedingungen zu stellen, zu fordern? Froh mußt du sein,
daß ich dein armseliges Leben nicht zertrete. Die Männer,
die den Schatten dienen und selbst zu Schatten wurden, können
diesen Berg ins Rutschen bringen und die Welt vernichten – und
du wagst es, von ihnen etwas zu verlangen? Ich wollte nur eins von
dir: die Formeln zu sprechen, die ich dir vorsage. Sie werden
Mandragora darüber informieren, daß ein Reich, das sie
einst besaß und verlor, bereit ist, ihr wieder
zurückgegeben zu werden. Phantoma, ihre Tochter, wird die
Herrschaft der Mutter antreten. Es darf sich nicht wiederholen, was
schon mal geschah. Die Worte müssen über menschliche Lippen
kommen, um den Bann endgültig zu brechen, den die Alten uns
auferlegt haben. Du bist nicht bereit dazu. Gut! Dann trage ich
Konsequenzen!«
Sindom sah nur, daß die rote Farbe in dem steinernen
Koloß sich wie wabernder Nebel bewegte, daß das
schreckliche rote Licht in den Augen dunkler wurde.
Eine Gänsehaut überzog seinen Körper und dann hatte
er das Gefühl zu schrumpfen.
Etwas Unheimliches ging mit ihm vor.
In seinem Körper rieselte es. Alles um ihn herum rauschte und
dröhnte plötzlich, und die furchtbaren
Götzengestalten, die an riesige Drachen und urwelthafte
Schlangen erinnerten, waren umhüllt von wogenden brodelnden
Nebeln. Eigenartige Geräusche hüllten ihn ein. Es blubberte
als würden riesige Blasen aus einem kochenden Sumpf
aufsteigen.
Bizarre Schatten teilten die Nebelwand vor seinen Augen, und er
sah die drei unheimlichen Höllenkreaturen langsam zur Seite hin
auseinandergleiten, als würde man einen riesigen, mit steinernen
Gestalten besetzten Vorhang langsam auf die Seite schieben. Was er
sah, erschütterte ihn bis ins Mark seiner Knochen.
*
Grau und öde war die Welt wie am Morgen ihrer Geschichte.
Er sah die Bilder wie auf einer Leinwand vor sich, aber sie waren
greifbar nahe und dreidimensional.
Ein riesiger Platz, gigantische Steine breiteten sich vor ihm
aus.
Heiße Dämpfe stiegen aus Rissen und Spalten,
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