Macabros 027: Totenbarke nach Xantilon
sein Arbeitszimmer, bot seinem Besucher
einen Platz an und setzte sich ihm gegenüber.
»Wo drückt der Schuh, Fred?«
»Etwas geht mit mir vor, Doc«, begann Fred Reedstone.
»Ich bin nicht mehr so wie früher.«
»Wie meinen Sie das?«
»Daß ich anders bin, daß mein Gehirn –
anders reagiert! – Ich möchte es Ihnen genau erzählen.
Eines will ich gleich vorausschicken, Doc: ich spinne nicht… Ich
habe nicht getrunken und keine Droge genommen. Ich bin normal wie
jeder andere auch – und doch bin ich anders. Ich empfange
Botschaften.«
»Botschaften, Fred? Woher?«
Reedstone atmete tief durch. Je länger er Warlock
gegenübersaß, desto ruhiger wurde er. Seine Stimme gewann
an Festigkeit.
»Ich kann es Ihnen genau sagen: Botschaften aus einer anderen
Zeit. Ich sehe Bilder, höre Stimmen – und begreife alles.
Ich kann Ihnen von Menschen erzählen, Ihnen Namen nennen, die
existieren, die jetzt leben und atmen – und doch in einer
anderen Zeit zu Hause sind.«
»Ich begreife Sie nicht, Fred.«
»Ich begreife es selbst nicht, Doc. Aber ich weiß,
daß ich mich nicht irre, und daß ich nicht
träume.«
»Was für Menschen sind das? Was für Bilder sehen
Sie?«
»Einer nennt sich Björn Hellmark. Er ist mit einem
Zeitschiff in die Vergangenheit geschleust worden. Dieser Mann stammt
aus unserem Jahrhundert, lebt jetzt im Jahr 1974 – und ist doch
nirgends aufzufinden, weil er mehr als vierzehntausend Jahre
überbrückt hat.«
Warlock blieb ruhig. Er sagte nichts und ließ Reedstone
sprechen.
»Anfangs war ich erschrocken, als die ersten Bilder
kamen.«
»Die – gleichen?« fragte der Arzt.
»Nein! Es sind immer andere. Ich sehe die Dinge wie in einem
Film, der abläuft, in dem die Handlung ständig vorantreibt.
Ich weiß von Arson, dem Mann mit der Silberhaut. Er kommt aus
der Zukunft, Doc. Er lenkt das Zeitschiff. In der Zukunft hat man die
Tachyonen, die in unserer Zeit vermutet wurden, tatsächlich
entdeckt. Die UFO-Sichtungen in früheren Zeiten – das waren
keine militärischen Geheimwaffen irgendwelcher irdischer
Mächte, das waren keine Besucher aus dem Weltall – das sind
wir selbst. Die Menschheit selbst hat das Geheimnis der Zeit
enträtselt, und der alte utopische Traum von den Reisen durch
die Zeit ist Wahrheit geworden wie das Unterseeboot, die Beherrschung
der Atomkraft oder der Mondflug Wirklichkeit geworden sind.
Doc!«
Die Art und Weise, wie er sprach, zeigte dem Zuhörer,
daß Reedstone einen gewaltigen Sprung in seiner Entwicklung
gemacht hatte und sich mit Dingen befaßte, an die er
früher offenbar nicht mal im Traum gedacht hatte. Auch die
Worte, die er wählte, alles zeigte Reedstone in bestem
Licht.
Was er sagte, klang absurd. Aber wie er es sagte, das klang
glaubwürdig.
»Da sind Kima, der Mann aus Xantilon, den sie kennengelernt
haben, ein Inder und ein kleiner, etwa vierzehnjähriger Junge,
die an der Reise teilnehmen. Und da gibt es auch noch Amina und
Taaro. Namen, die Ihnen nichts bedeuten, mit denen ich aber sehr viel
anzufangen weiß.«
»Was sind das für Menschen, Fred?«
»Menschen, die das Schicksal bunt zusammengewürfelt hat.
Menschen, die Leid und Unglück erleben, an deren Schicksal ich
teilhabe, an dem ich doch nichts ändern kann.«
Reedstones Stimme klang ruhig und ganz normal.
»Wann hat es angefangen?«
Reedstone zuckte zusammen. »Warum sagen Sie ›es‹,
Doc? Ich bin nicht verrückt. Ich weiß genau, was ich sage,
auch wenn Ihnen das noch so irrsinnig vorkommt. Es mag schwer sein
für Sie, mich anzuhören. Aber Sie sind der einzige Mensch,
zu dem ich Vertrauen habe, dem ich diese Dinge mitteilen kann, der
mich – vielleicht – versteht. Und der mir vielleicht auch
helfen kann. Es muß mit der Operation zusammenhängen, mit
meinem Gehirn, Doc. Was haben Sie damit gemacht?«
»Ich habe operiert und getan, was getan werden mußte.
Ich könnte Ihnen das eine oder andere erklären, wenn Sie
das gerne möchten, aber es würde zu weit führen. Sie
müßten die medizinische Vorbildung mitbringen. Dennoch
könnten wir es versuchen. Aber erst zu Ihrer Geschichte, Fred!
Die interessiert mich! Was hören Sie? Was sehen Sie? Und wann
hat es angefangen – darauf haben Sie mir immer noch keine
Antwort gegeben.«
»Vor drei Wochen hatte ich die ersten Visionen. Jedenfalls
bezeichnete ich sie so. Dann merkte ich, daß ich miterlebte,
daß es Wirklichkeit war, daß ich in eine andere Zeit
hineinsehen konnte, um es mal so auszudrücken. Am Anfang war
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