Macabros 027: Totenbarke nach Xantilon
Welten von Raum und Zeit
durchquerte, alles daranlegen würde, Taaro und sie zu retten.
Xantilon – zur Zeit des Untergangs – war für einen
Zeitreisenden wie Arson unmöglich zu verfehlen. Und Amina war
sicher, daß Arson alle Möglichkeiten ausschöpfte,
ihren derzeitigen Aufenthaltsort ausfindig zu machen.
*
Sie wartete, bis die Geräusche verklungen waren.
Dann richtete sie sich halb auf, starrte durch das große,
ausgefranste Loch des riesigen Tierschädels, der eng an der
Felswand anlag und in dessen Innern sie Zuflucht gesucht hatte.
Taaro lag auf der Erde und rührte sich nicht. Tiefe
Atemzüge hoben und senkten die Brust des Knaben. Es war gut,
daß er von allem nichts mitbekommen hatte.
Vorsichtig schritt Amina aus dem dunklen, knöchernen Verlies.
Sie setzte ihren Fuß auf den vermoderten, fauligen Unterkiefer
des Riesenskeletts. Rund herum lagen ausgebrochene, stumpfe flache
Zähne. Klebrige Lianen hingen wie überdimensionale
Spinnfäden über den Rissen und Spalten in dem
Riesenschädel, und ein etwa zwei Meter hoher Felsblock und
Myriaden der breiten Blätter des Efeugewächses bildeten
einen zusätzlichen Schutz, der sich nun auszahlte.
Die Luft war rein. Kein Geräusch erfolgte mehr.
Offenbar stand Warnak irgendwo in der Dunkelheit und blickte den
Davonreitenden nach, und er blieb still, um sie nicht noch mal auf
sich aufmerksam zu machen.
Amina holte Taaro und nahm den schlafenden Jungen mit.
Sie kehrte zu der Stelle zurück, wo sie Warnak, den alten
Kräuterzüchter, zum letzten Mal gesehen hatte.
Eine eiskalte Hand krallte sich in ihr Herz, als sie ihn reglos
vor der Felswand hocken sah, den in der Mitte durchgeschlagenen Stab
mit beiden Händen krampfhaft haltend.
»Warnak!« entrann es ihren Lippen. »Oh,
Warnak!«
Ihre Augen wurden feucht. »Diese Mörder! Warum haben sie
das getan?! Und ich bin schuld, ich ganz allein – weil ich
vorhin die Nerven verloren habe…«
Ihr Schicksal war besiegelt. ›Ich hätte hierbleiben
sollen, hier bei ihm… der sofortige Tod ist besser als einer auf
Raten…‹ Sie wußte, daß sie ohne diesen Mann
verloren war. Allein würde sie es nie schaffen, diese grausame,
von Dämonen und Geistern beherrschte Welt zu meistern.
»Amina… meine… Tochter«, vernahm sie da die
leise Stimme.
Warnaks Lippen bewegten sich kaum merklich.
Noch ein Lebensfunke war in ihm. Sie sah, daß der
Kräuterzüchter, der sie bis hierher so sicher geführt
hatte, versuchte, die Augenlider zu heben. Es fiel ihm unendlich
schwer.
»Nicht sprechen, Warnak…« sagte sie leise, und ein
flüchtiges Lächeln huschte über ihre Lippen.
»Doch… ich muß sprechen…« Seine
Wangenmuskeln zuckten. Leise ging sein Atem, sein Puls war kaum noch
zu fühlen. Das Blut sickerte aus der Brustwunde. Amina riß
kurzentschlossen einen Fetzen aus ihrem Kleid und drückte ihn
fest gegen die Wunde, um die Blutungen zu stillen.
»Spare deine Kräfte… auf, meine Tochter! Du wirst
sie noch… wichtiger brauchen…«
»Verzeih mir, Warnak«, sagte sie schnell, ohne auf seine
Worte einzugehen.
»Verzeihen… dir? Warum?«
»Ich bin schuld daran… ich hätte nicht erschrecken
dürfen, als der Kugelköpfige den Verwundeten so brutal
niederstach. Ich bin schuld daran, daß du sterben
mußt…«
»Unsinn… mein Tod, was bedeutet er schon? Ich sollte
froh sein darum, daß es… zu Ende geht… die Wandlung
in dieser Welt… ich begreife sie nicht mehr… ich bin schon
zu alt… kämpfen…, eigne mich nicht mehr dazu… ich
bin… ein Ballast… mein Aufenthalt im Jenseits wird nur gut
sein… zur Erneuerung… wenn es den Weißen Magiern
gelingt, die Kräfte der Alten zu mobilisieren und die verloren
geglaubten Seelen zurückzufordern aus dem Jenseits, damit sie
antreten zum Kampf gegen die Mächte des Bösen… wird
vielleicht noch alles gut werden…« Es sprudelte
plötzlich nur so über seine Lippen, als nähme er noch
mal all seine Kraft zusammen. Er sprach von Dingen, über die er
noch nie zuvor gesprochen hatte, und ein rätselhaftes,
Lächeln spielte um seine Lippen.
»Hoffentlich… hoffentlich dringen sie nicht auch noch
ein ins Reich der Toten, um sie für sich zu gewinnen… aber
das braucht nicht deine Sorge zu sein, du brauchst dir… wegen
mir keine Sorgen zu machen. Alles wird gut werden! Nur um dich geht
es jetzt… die Schlucht, die wir beide gesehen haben… die
jenseits der Felsmauer liegt und das Tal in zwei Hälften zu
teilen scheint… durch die mußt
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