Macabros 028: In der Falle des Schattenfürsten
Ansturm
entronnen waren. So trennten sich die Gruppen. Davon wurde Hellmark
Zeuge. Er wurde auch Zeuge, wie ein kleiner dunkelhaariger Junge im
Flüchtlingsstrom mitschwamm, wie er immer wieder auf
große, blonde Männer zueilte, voller Erwartung, eine
bestimmte Person zu treffen.
»Pepe!« Hellmark brüllte es heraus. Er lief den
flachen Hügel hinab zum Strom.
Der Junge hob den Kopf.
»Björn?« Sein Gesicht war ein einziges
Fragezeichen, von Entbehrungen, Hoffnungen, und Zweifeln gezeichnet.
Der vierzehnjährige Knabe bahnte sich einen Weg durch den Zug.
Es war erstaunlich, wo er jetzt noch die Kraft hernahm, sich so zu
bewegen.
Sekunden später schloß Hellmark den Jungen in die Arme
und seine Rechte fuhr durch das Wuschelhaar Pepes.
»Ich habe gewußt, daß ich dich hier treffen
würde«, sprudelte es über die Lippen Pepes. Seine
Kleider waren zerrissen, er roch nach Schweiß, sein Körper
war von Schweiß und Staub überkrustet.
»Wie ist es dir ergangen? Wie lange bist du schon unterwegs?
Was ist aus den anderen geworden?« Hellmark hätte am
liebsten alle Fragen auf einmal beantwortet haben wollen.
Pepe erzählte der Reihe nach. Als das Erdbeben begann, das
Hellmark von seinen Freunden trennte, war der Junge in Panik davon
gestürzt. Hellmark hätte schwören können,
daß in dem Augenblick, als sich die Erde unter seinen
Füßen öffnete, und er in die Tiefe stürzte, der
Junge, der sich in seiner unmittelbaren Nähe befand, mit in die
Tiefe gerissen wurde. Doch offenbar hatte er sich da
getäuscht.
Er war froh darum.
Über das Schicksal Rani Mahays und Arsons wußte er
nichts.
»Ich kann dir etwas darüber sagen«, schaltete sich
da das Bewußtsein des Schattenfürsten ein, mit dem er
verbunden war. »Sie sind in Sicherheit.«
»Führe mich zu ihnen«, forderte Hellmark.
»Laß mich Pepe zu ihnen bringen.«
»Ich habe dir versprochen, jeden Wunsch zu erfüllen. So
sei es.«
Wieder dieser Wirbel. Die Berge wichen zurück, der Himmel
schmolz zu zu einem langgezogenen schmalen schwarzen Schemen
zusammen. Für den Bruchteil eines Augenblicks glaubte Björn
den Schatten eines Titanen zu sehen, der sich dort zeigte. Aber da
war der Eindruck auch schon wieder verschwunden.
Björn hielt Pepe bei der Hand. Der Flüchtlingsstrom
löste sich auf wie ein Nebelstreif und eine andere Umgebung
zeigte sich ihnen.
Vor ihnen lag in einer Senke von Erdwällen und Büschen
umgeben die silberne Kugel.
Arsons Zeitschiff.
Björn hielt den Atem an. Schummeriges Licht sickerte aus dem
Eingang, der weit offen stand. Das Schiff wirkte wie eine Festung in
dieser unwirklichen, von Geistern und Dämonen bedrohten
Umwelt.
Der blonde Mann und der Junge gingen auf den Eingang zu. Sie sahen
Schatten im Korridor, auf den mehrere Türen mündeten.
»Arson!« rief Hellmark.
Seine Stimme hallte durch den Korridor.
Ein Schatten zeigte sich, eine Gestalt lief ihm entgegen. Arson.
Der Mann mit der Silberhaut starrte ungläubig auf die beiden
Ankömmlinge.
»Björn, Pepe!« schrie er. Eine weitere Gestalt
tauchte auf. Rani Mahay.
Die Wiedersehensfreude war groß. Alle sprachen
durcheinander, so daß sich Björn kein rechtes Bild
darüber machen konnte, wie Arson und Mahay in das Zeitschiff
zurückgekehrt waren. Aber diese Dinge waren in diesen Minuten
zweitrangig. Sie lebten. Sie waren mit heiler Haut dem Grauen
entronnen.
Ein Glücksgefühl stieg in Hellmark auf. Dies alles kam
nur zustande, weil ein Gott ihn unterstützte, weil zum erstenmal
in einer Zeit der Bedrängnis die von Dämonen
zurückgeworfenen Kräfte des Guten sich rührten. Der
große Kampf zwischen Gut und Böse, der in Xantilon mit
besonderer Heftigkeit ausgetragen wurde, zeigte seine Auswirkungen.
Hellmark kam mit Kräften in Berührung, die ihm halfen, die
sich seiner bedienten. Er nahm direkt an den Geschehnissen teil, die
in den Sagenschatz der Völker eingehen sollten. Geschichten, die
sich nachfolgende Generationen erzählten, entstanden aus
Wahrheit und Dichtung und enthielten alle Elemente, die bewiesen,
daß es in der Vergangenheit wirklich Reiche der Götter und
Dämonen gegeben hatte.
Björn Hellmark, ein Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts, war
hineingezogen worden in die Ereignisse, die weltgeschichtliche
Bedeutung hatten. Ereignisse, die hier ihren Ausgang nahmen und auch
noch schicksalsbestimmend für die Menschen seiner Generation
wurden, die nichts davon ahnten. Nur Einzelgänger, meist am
Rande der Gesellschaft lebende, unverstandene
Weitere Kostenlose Bücher