Macabros 035: Mirakel, Mann der Geheimnisse
In der mit schwarzem Nebel geschwängerten Luft
schwebte wie ein Schemen eine Gestalt. Liane Martens. Sie lachte
teuflisch. »Unsere Aufgabe ist beendet. Ihr seid auf die Masken
hereingefallen. Wir sind keine Menschen mehr, Hellmark! Wir sind tote
Seelen im Dienste Molochos! Viele Grüße von Molochos, dem
ihr bald begegnen werdet.«
Damit löste sich der Spuck auf.
Hellmark und Rani kamen nicht zur Besinnung. In diesen Sekunden
begann noch mehr sich aufzulösen.
Die weiße Jacht schrumpfte.
Sie löste sich auf wie ein Nebelstreif unter der Sonne.
Björn und Rani stürzten in das aufschäumende,
brüllende Wasser. Sie versanken sofort in den Fluten, tauchten
wieder auf, schlugen verzweifelt um sich und schwammen auf die
zerklüfteten, nachtschwarzen Felsen zu, die wie die bizarren
Schädel von urwelthaften Ungetümen aus dem tosenden Wasser
ragten.
Dort vorn war eine Bucht. Egal, wozu sie gehörte. Die
mußten sie erreichen.
Doch soweit kam es nicht.
Breite, flache Schiffe tauchten auf. Hände griffen nach ihnen
und zogen sie an Bord. Es waren kleine, kraftvolle Hände.
Hände von Kaythen.
Die Schiffe verließen rasch die teuflische See und glitten
hinaus in die Weite des Ozeans, wo die Winde still lagen.
Völlig durchnäßt kauerten Björn Hellmark und
Rani Mahay auf ihren Liegen.
Amana trat zu ihnen.
»Ich hatte einen Verdacht, aber ich konnte ihn nicht
aussprechen«, sagte sie leise. »Ich wollte euch nicht
enttäuschen. Wir verfolgten das weiße Schiff, das euch
nicht in die Freiheit, sondern in den Tod bringen sollte.«
Es ging zurück zur Insel.
Björn und Rani standen am Bug des prachtvoll gezierten
Schiffes, das lautlos dahinglitt.
Die Insel kam näher. Schön und gewaltig ragte die Burg
empor. Ihre Heimat?
»Vorerst, ja«, sagte Amana, und sie wußte, was in
den Köpfen der beiden Freunde vorging. »Aber es gibt einen
Ausweg. Ich habe den Schlüssel für eure Rückkehr. Habt
noch eine kurze Zeit Geduld…«
Die Burg – dort waren sie sicher. Es ging zurück in den
goldenen Käfig. Ein Käfig auf Zeit, wie Amana ihnen
versicherte.
*
Er fuhr mit dem BMW 520 nach Frankfurt zurück und stellte den
Wagen vor dem Haus ab, weil in erreichbarer Nähe keine Garage
vorhanden war.
Frank Morell lag in der Nacht lange wach und konnte keinen Schlaf
finden.
Immer wieder gingen ihm die zurückliegenden Ereignisse durch
den Kopf.
Er versuchte von dem Mosaik mehr und mehr zusammenzusetzen. Doch
dazu war es wohl noch zu früh. Er wollte alles dransetzen, mehr
über sein Dyktendasein zu erfahren, um seine Existenz als Mensch
danach einzurichten.
Unheimliche Widersacher gab es. Einen Vorgeschmack hatte er
erhalten.
Rha-Ta-N’my war genannt worden. Und Molochos spielte dabei
eine besondere Geige. Doch es war eine vielköpfige Brut, die
danach strebte, die Freiheit einzuengen und das Leben
auszulöschen.
Er hatte einen Sieg errungen. Auf dieser Seite war der
Frontalangriff abgeblockt worden. Dort hatte Hellmark den
dämonischen Kräften Widerstand entgegengesetzt.
Sie kämpften beide gegen die gleiche Macht. Keiner aber
wußte vom anderen. Noch wußte keiner vom anderen.
Das konnte sich ändern.
Im Morgengrauen fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf, aus
dem das Rasseln des Weckers ihn riß. Morell fuhr zu seiner
Arbeitsstelle in der siebten Etage des Hochhauses, wo das
Konstruktionsbüro Gering und Krollmann sich befand.
Alltagswelt!
Eine Welt, von der man behauptete, daß es keine Wunder mehr
in ihr gab.
Er, Morell, hatte ein Wunder erlebt und war bereit, dieses Wunder
mit allen seinen Konsequenzen anzunehmen.
Worauf er sich da einließ, konnte er allerdings nicht einmal
ahnen…
ENDE
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