Macabros 040: Tal der tausend Foltern
ja. Aber ich verstehe sie nicht.
Wahnsinn, Lee! Du mußt den Verstand verloren haben… Wie
kann man Geschehenes ungeschehen machen?«
»Durch eine Reise in die Zeit. Wenn wir dahin
zurückkehren, woher wir kamen, wird es den Unfall nie gegeben
haben. Es sei denn, wir begehen den gleichen Fehler bei einem neuen
Experiment nochmals. Dann würden wir – auch wenn wir Walter
und Sean zurückgeholt haben, wieder hier unter den gleichen
Umständen landen – und schließlich vor den Leichen
stehen. Eine erneute Rückkehr würde bedeuten: wir haben nie
etwas verändert. Bleiben wir aber in London, im Keller des
British Museums, dann sind Walter und Sean nie zu Tode
gekommen.«
Alles in Spencer Loredge verkrampfte sich. Er verbarg sein Gesicht
in beiden Händen. Theoretisch stimmte alles, was Lee Brown da
von sich gab… aber praktisch? Glaubte er wirklich…?
»Einen Versuch ist es mir wert, Spencer. Mehr als schiefgehen
kann es nicht. Wenn Somschedd merken sollte, woher der Wind weht,
kann uns dennoch nicht viel geschehen. Er ist auf uns angewiesen. Er
wird sich hüten, uns ein Haar zu krümmen. Wir sind die
einzigen, die ihm aus der Misere heraus helfen können.«
*
Wenn Lee Brown mal einen Gedanken gefaßt hatte, war er so
leicht nicht wieder davon abzubringen.
Offenbar suchte er fleißig nach neuen Durchlässen und
Stollen, die an die Oberfläche führten. Doch in
Wirklichkeit setzte er nur die halbe Kraft ein und war mit seinen
Gedanken ständig woanders.
Scheinbar müde und erschöpft gab er schließlich
auf.
Er lehnte sich an die Wand, hielt die beiden Hände
trichterförmig an den Mund und rief: »Somschedd! Hallo,
Somschedd, kannst du mich hören?«
Mehrfach brach sich das Echo seiner Stimme.
Laut und deutlich hallte die Antwort zurück. »Ja, sehr
gut sogar. Wie weit seid ihr?«
»Wir haben einen Stollen und eine weitere Kammer erschlossen.
Aber der Sauerstoffmangel macht uns zu schaffen. Es geht nicht so
schnell… wir sind… sehr müde…«
»Dann ruht euch aus. Auch wir müssen ruhen.«
Es hörte sich geradeso an, als ob Somschedd dem noch etwas
hinzufügen wollte, es aber dann doch wohlweislich
unterließ.
Lee Brown besaß ein feines Gefühl für bestimmte
Dinge.
Somschedd und seine Diener mußten ruhen? Dann gab es auch
bei ihnen einen Zyklus Wachen – Ruhen? Hing das damit zusammen,
daß Somschedds magische Kräfte und Fähigkeiten erst
langsam erstarkten?
Er dachte sehr genau darüber nach und nahm sich vor, die
Dinge im Auge zu behalten.
»Macht weiter, wenn ihr es für richtig haltet«,
dröhnte Somschedds Stimme lautstark und hallend durch die Weite
der Gänge und Stollen und Kammern.
Die beiden Engländer hielten sich nach diesen Worten
völlig ruhig.
Keiner von ihnen wußte später zu sagen, ob eine Stunde
oder zwei oder ob nur zehn Minuten vergangen waren.
Lee Brown wachte plötzlich auf. Er war eingenickt. Er zuckte
überrascht zusammen. Die geringste Bewegung genügte, auch
Spencer Loredge zu alarmieren.
»Was ist los?« fragte Loredge erschrocken.
»Nichts. Ich bin eingenickt. Das ist alles.«
»Dieser verdammte Sauerstoffmangel. Er bringt uns noch
um…«
»An Sauerstoffmangel werden wir garantiert nicht sterben
dafür sorgt schon Somschedd. Wenn wir vor die Hunde gehen…
Spencer… dann auf andere Weise.«
Lee Brown lauschte in die Düsternis. Alles still. Die Flamme
an der Fackel hielt sich mühselig am Leben.
Er griff nicht danach. »Ich gehe. Ich finde mich im Dunkeln
zurecht. Bisher war alles ziemlich geradlinig.«
»Du… nimmst mich nicht mit?«
»Nein. Noch nicht. Ich muß erst sehen, ob die Luft rein
ist. Ich möchte dich nicht unnötig in Gefahr bringen. Wenn
etwas ist, dann hat einer es leichter, schnell unterzutauchen. Sobald
ich sehe, daß alles okay ist hole ich dich. Ich habe ein gutes
Gefühl, Spencer. Was Somschedd da sagte von seinem
Ruhebedürfnis, gibt mir zu denken. Er war sofort damit
einverstanden, als ich sagte, wir müßten ausspannen. Er
hat nicht gedrängt. Auf der anderen Seite aber eilt es ihm doch
so.«
Lee Brown machte sich auf den Weg, noch ehe Loredge sich zu einer
Erwiderung entschließen konnte.
Brown tauchte im Dunkeln unter. Ein leises Rascheln noch –
dann unheimliche Stille.
Loredge vernahm den Schlag seines eigenen Herzens.
Er atmete tief durch als wolle er die Müdigkeit mit diesem
Atemzug aus seinen bleiernen Gliedern vertreiben.
Aber die Benommenheit und Schwere blieben.
Er mußte Lee Brown bewundern, der
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