Macabros 046: Blutsiegel des Molochos
Angst, allen hier in diesem großen Haus zu
bleiben.«
»Das brauchen Sie nicht, Joan. Es besteht überhaupt kein
Grund dafür. Ihr Vater gab sich offensichtlich mit
geheimnisvollen, fremden Mächten ab. Dabei ist ihm ein Fehler
unterlaufen oder er hat eine Schuld auf sich geladen, die wir uns
noch zu klären bemühen. Versuchen Sie zu schlafen! Wenn
irgendetwas sein sollte – rufen Sie Captain Beverlys Abteilung
an. Ein Tastendruck genügt, und Sie haben Verbindung.«
Sie lächelte. »Ich hab mich dumm benommen, entschuldigen
Sie! Es war wohl doch alles ein bißchen viel für mich. Ich
werde etwas zum Einschlafen nehmen und sofort auf mein Zimmer
gehen.«
»Tun Sie das, Joan! Es ist das Beste, was Sie im Moment
für sich tun können.«
Gemeinsam verließen sie den Millionärsbungalow.
Morgans Turbowagen, ein mit Sonnenbatterie getriebenes Fahrzeug,
stand stromlinienförmig wie ein Silberpfeil am
Straßenrand. Dahinter hatte Captain Beverly sein
blau-weißes Dienstfahrzeug geparkt.
Morgan wartete, bis der blau-weiße Wagen startete und folgte
ihm dann nach. Lautlos glitten die beiden Turbofahrzeuge durch die
nächtlichen Straßen der Stadt.
Chaster Morgan und Frankie Lane saßen schweigend
nebeneinander. Jeder hing seinen Gedanken nach…
*
Joan Cassner verfolgte vom reaktivierten Zaun aus die Abfahrt der
beiden Wagen und kehrte dann ins Haus zurück.
Wenig später lag die Straße wieder ruhig und verlassen.
In den Wohnhäusern brannte nur noch vereinzelt Licht.
Joan Cassner verschloß die Tür und schaltete das
Schutzgitter wieder ein.
Ein tiefer Seufzer hob und senkte ihre Brust, als sie langsam
durch das stille, einsame Haus ging und sich ständig beobachtet
fühlte. Seit den Entdeckungen an diesem Abend fühlte sie
sich nicht mehr wohl in dieser vertrauten Umgebung. Die Umgebung kam
ihr unheimlich vor, und Joan konnte nur mühsam das immer wieder
aufsteigende Angstgefühl unterdrücken.
Mit matten Bewegungen schloß sie den Wandsafe.
Die Kassette mit dem Geld aus der Zukunft hatte Captain Beverly an
sich genommen. Ebenso das Notizbuch. Dieses Material sollte nochmal
einer gründlichen Prüfung auch auf eventuelle fremde
Fingerabdrücke hin untersucht werden.
Sie räumte die Gläser weg, rückte die
Sitzmöbel zurecht und ging dann hinüber zu dem Blauen
Salon, wo die Tür spaltbreit geöffnet war und noch immer
Licht brannte.
Sie fühlte sich unbehaglich, als sie die Klinke
niederdrückte und mußte daran denken, daß aus diesem
Raum der fremde Gast dieses Hauses an jenem fraglichen 15. Mai
gekommen war.
Plötzlich bekam sie Herzbeklemmungen und hatte das
Bedürfnis, mit irgendeinem Menschen zu sprechen.
Sie zog sich das Visiophon herum und drückte die Tasten einer
vertrauten Nummer.
Die Mattscheibe erhellte sich, farbige Schleier wurden sichtbar
und formten sie zu einem Gesicht.
»Guten Abend, Mrs. Fuller!«
»Hallo, Joan! So spät rufst du noch an?« Mrs.
Fuller trug einen rosafarbenen Hausmantel, der mit einem
voluminösen, flauschigen Kragen besetzt war und in Höhe
ihrer Brust aufsprang. Ihr Dekollete war sichtbar und der Ansatz
ihrer Brüste. Trotz ihres Alters war die Haut noch glatt und
jugendlich und wirkte kein bißchen welk. Besondere
Zellenverjüngungskuren gaben den Frauen der Gegenwart die
Möglichkeit, lange Zeit eine glatte und makellos jugendliche
Haut zu behalten.
»Ist Ellen nicht zu Hause? Ich hätte sie gern mal kurz
gesprochen, Mrs. Fuller.«
»Ellen ist bei William auf der Party…«
Joan schlug sich an die Stirn. »Ah, daß ich das
vergessen konnte. Natürlich! Entschuldigen Sie bitte!«
Auch sie hatte eine Einladung zu Williams Party schon vor drei
Wochen erhalten. Die Ereignisse hier im Haus brachten es mit sich,
daß sie die Einladung selbstverständlich abgesagt
hatte.
»Kann ich ihr etwas ausrichten, wenn sie nach Hause kommt,
Joan?«
»Nein, vielen Dank, Mrs. Fuller! Das ist nicht nötig.
Ich ruf dann morgen nochmal an. Gute Nacht, Mrs. Fuller!«
»Gute Nacht, Joan! Schlaf gut!«
Joan Cassner nickte und unterbrach dann die Verbindung.
Die Millionärstochter biß sich auf die Lippen. Wenn sie
die Entwicklung geahnt hätte, wäre sie nicht auf die Idee
gekommen, das Personal wegzuschicken. Heute war es noch so gewesen,
daß sie keinen Menschen in ihrer Nähe ertragen konnte. Nun
sehnte sie sich nach Gesellschaft. Ellen wäre die richtige
Gesellschafterin gewesen. Ihr graute davor, allein zu bleiben, aber
sie hatte wohl keine andere Wahl.
Die
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