Macabros 046: Blutsiegel des Molochos
in
die Höhe, ohne daß der unangenehme Luftsog entstand. Rasch
gewann das Fluggefährt an Höhe.
Wortlos steuerte der Pilot seine Maschine über die
Häuser der schlafenden Stadt hinweg. In der Tiefe sah man
Lichter von Turbofahrzeugen, die auf der die Stadt wie einen Ring
umspannenden Straße als beleuchtete Kette hinzogen.
Positionslichter in der Luft zeugten von weiteren Flugtaxis, die
ebenfalls unterwegs waren.
»Nein, doch nicht zur Polizei!« sagte Joan Cassner
unvermittelt. Ihr war plötzlich ein anderer Gedanken gekommen.
Sie gab Morgans Adresse an.
»Park-Road dreiundachtzig, bitte…«
Sie hoffte, daß Chas schon zu Hause war. Zu ihm hatte sie
das größte Vertrauen.
Außerdem mußte er ihr die Fluggebühren
auslegen.
Sie hatte keinen Cent bei sich…
*
Chaster Morgan stand vor dem Spiegel, der über dem
Waschbecken angebracht war und putzte sich mit der elektrischen
Zahnbürste die Zähne.
Durch den Ultraschalleffekt, der sanft auf die oberste Zahnschicht
einwirkte, war eine besonders gründliche Reinigung
möglich.
Chas stellte das sich selbst reinige Gerät zurück und
wollte sich den Mund abwischen, als er plötzlich stutzte.
Seine Augen!
Die Veränderung darin trat ganz plötzlich und deutlich
erkennbar auf.
Sie waren nicht mehr dunkelbraun – sie zeigten den Schimmer
eisigen Graus! Es sah für einige Sekunden lang so aus, als ob
eine andere Farbnuancierung von nun an seine Iris bestimmen sollten.
Doch dann wich das eisige Grau wieder zurück, und das dunkle
Braun trat wieder in den Vordergrund.
Was war geschehen?
Chas hielt den Atem an. Der Aufenthalt in dem unbekannten
Strahlenfeld, wegen dem er einige Tage das Krankenhaus hüten
mußte, schien nun Nachwirkungen zu haben. Wenn er weiter etwas
Ähnliches beobachtete, dann mußte er wohl oder übel
doch noch mal in ärztliche Behandlung.
Aber es ging ihm nicht schlecht. Er fühlte sich so wie
immer.
Morgan ging zu Bett. Er bewohnte ein geschmackvoll eingerichtetes
Apartment in der Park-Road.
Der Inspektor lag mit offenen Augen da, starrte gegen die Decke
und hing seinen Gedanken nach.
Vor seinem geistigen Auge liefen nochmal die Ereignisse des Tages
ab wie auf einer Filmleinwand.
Viel hatte sich ereignet – und doch gab es nichts
Handgreifliches, was den Schluß zuließ, daß man
einen entscheidenden Schritt weitergekommen wäre.
Morgan fühlte sich müde und nickte während der
Überlegungen ein.
Einmal fiel ihm der Name Björn Hellmark ein, und im
Unterbewußtsein stellte er sich schläfrig die Frage, wieso
er ausgerechnet auf diesen Namen kam. Nie zuvor hatte er ihn
gehört und kannte auch keinen Menschen mit solch einem
Namen.
Er träumte. Ganze dreißig Sekunden lang. Da sah er sich
auf einer Insel. Weißer Sand, Palmen, blütenduftend…
ein Paradies… er sah eine Frau am Strand liegen, schlafend…
sie trug einen cremefarbenen Bikini, ihre Haut hatte die Farbe von
Sahnekaffee… Carminia Brado… schön und
verführerisch, und er sehnte sich nach ihr.
Der Wind säuselte. Das Säuseln wurde urplötzlich
zum Brausen, dann zum Pfeifen. Und schließlich zum
Klingeln…
Klingeln?
Da war er plötzlich wieder hellwach. Und er hörte es
immer noch.
Vergessen war im nämlichen Augenblick der schwache Traum von
einer fernen, paradiesischen Insel, von einem Mann namens Björn
Hellmark und einer kaffeebraunen Schönheit namens Carminia
Brado. Die Wirklichkeit hatte ihn wieder. Chaster Morgan war ganz er
selbst.
Jemand stand draußen vor der Tür und klingelte
Sturm.
Chas aktivierte den Monitor auf dem Nachttisch neben seinem
Bett.
Vor der Tür stand…
»Joan!« entfuhr es ihm. Mit einem Sprung war er aus dem
Bett, lief durch den Korridor und öffnete.
»Joan?! Wie kommen Sie…«
»Helfen Sie mir, Chas!« Zerzaust waren ihre Haare,
bleich ihr Gesicht. »Er war wieder da… ich habe es wieder
gehört… ich kann nicht im Haus bleiben… es ist alles
so schrecklich… das Taxi wartet… der Pilot muß noch
entlohnt werden… ich konnte mir nicht die Zeit nehmen, noch nach
meiner Handtasche zu greifen…«
Er stellte keine Fragen. Der Fremde war wieder da. Von ihm sprach
sie.
Chaster Morgan war ein Mensch, der keine großen
Umstände machte. Er schlüpfte in die Hose, warf sein
Jackett über und lief gemeinsam mit Joan zu dem wartenden
Taxi.
»Dahin zurück, woher Sie gerade kommen, Meister«,
rief er dem Piloten zu, während er Joan sanft in den weichen
Sessel drückte. »Legen Sie ’nen Zahn zu! Wir
Weitere Kostenlose Bücher