Macabros 046: Blutsiegel des Molochos
hätte
eigentlich rot werden müssen. Das hätte eines mit
Sicherheit unter Beweis gestellt: wir hätten es dann mit
menschlichem Gewebe zu tun gehabt.«
»Wollen Sie damit sagen, daß sie kein menschliches
Gewebe vorgefunden haben?«
»Ja. Nur Stoffe, die zu siebzig Prozent mit Chlorophyll und
zu etwa dreißig Prozent mit Stickstoff angereichert sind,
können die Blaufärbung der Teststoffe hervorrufen. Seit
wann besteht menschliches Gewebe aus Chlorophyll? Auf der Bahre hier
hat eine Pflanze gelegen und kein Mensch, meine Herren!«
*
Die Worte schlugen ein wie eine Bombe.
Frankie Lane aber konnte es sich nicht verkneifen in die
entstandene Stille eine Bemerkung fallen zu lassen:
»Da wird doch keiner auf die Idee gekommen sein, Cassners
Leiche mitzunehmen und dafür pietätvoll einen
Blumengruß zurückzulassen?«
»Wenn es so einfach wäre, Frankie, hätten wir durch
Dr. Hershfield sicher schon einen Hinweis erhalten. Aber offenbar
sieht es so aus, daß auch er nicht weiß, welche Art von
Pflanze hier binnen kurzer Zeit zerfiel.«
Hershfield nickte. »Genau, Mister Morgan! Die Rätsel
sind eigentlich jetzt noch größer geworden, als sie zuvor
waren.«
»Dafür haben wir eine Klarheit gewonnen«, meinte
ehester. »Wer immer hierher transportiert wurde: Um den
Millionär Fred Cassner scheint es sich jedenfalls nicht
gehandelt zu haben. Wenn Cassner nicht der Tote war – wer war es
dann? Eines ist dann wohl eine logische Schlußfolgerung:
Cassner ist nicht tot, also wurde er nicht ermordet. Das wirft ein
neues Problem auf: Wo befindet sich der Millionär jetzt? Mir
scheint, wir müssen vollkommen umdenken. Wir suchen keine Leiche
mehr – wir suchen einen verschwundenen Menschen…«
*
Joan Cassner vermochte nicht zu atmen und nicht zu schreien. Und
das Letztere wäre sicher auch völlig verkehrt gewesen.
Das Summen schwoll zu einem Höhepunkt an. Die Luft zitterte,
die Wände bebten und das Licht flackerte, als ob die Erde unter
dem Haus sich in Bewegung gesetzt hätte.
Die Gedanken des jungen Mädchens bildeten ein wirres
Durcheinander, ihre Glieder waren wie gelähmt.
Aber hier konnte sie nicht bleiben, schrie es verzweifelt in ihr.
Sie mußte weg von hier! Sie war allein und hilflos.
Sollte sich das wiederholen, was mit ihrem Vater passiert war?
Dann war sie überhaupt zu keinem vernünftigen Gedanken
mehr fähig. Sie handelte ganz mechanisch.
Nur weg von hier, hetzten ihre Sinne…
Alles in ihr sträubte sich, als sie hörte, wie die
Tür des Blauen Salons leise klappte.
Wäre doch nur Morgan hier! Oder einer der anderen!
Ihr Blick ging zum Visiophon. Anrufen?
Nein! Dazu hatte sie jetzt nicht die Nerven. Keine Sekunde
länger konnte sie hier ausharren.
Sie rannte durch den Korridor. Ihr Herz klopfte, als würde es
den Brustkorb sprengen. Sie warf keinen Blick zurück. Im
Vorüberlaufen riß sie die Klappe der Signalanlage auf und
stellte den Zeiger auf Null. Dadurch wurde dem Elektronenzaun
draußen die tödliche Energie genommen.
Die Tür zur Straße aufreißen und in die
kühle Nacht hinausstürzen – waren eins.
Und jetzt fing sie an zu schreien. Vorn an der Straßenecke
sah sie die rotierenden Lichter eines Flugtaxis. Der Pilot setzte zur
Landung an.
Wild gestikulierend und wie von Sinnen brüllend jagte Joan
Cassner zu dem landenden Taxi. Ein Mann stieg aus, blickte die
Straße hinab, sah Joan Cassner und hörte ihre Schreie.
Joan sprang einfach über das flache Gartentor.
Erst jetzt warf sie einen Blick zu dem ihm Dämmerlicht
liegenden Bungalow zurück. Da, an der linken Seitenwand! Bewegte
sich dort nicht ein Schatten?
Mit einem zweiten Blick vergewisserte sie sich erst gar nicht,
lief einfach weiter auf die Haltestelle zu.
Der Fluggast lief ihr kopfschüttelnd entgegen.
»Ist etwas?« fragte er besorgt, seine braune Ledertasche
unter den Arm schiebend. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich
sein, Miss? Wurden Sie belästigt?«
Joan Cassner schüttelte nur den Kopf. Sie konnte
unmöglich einem Außenstehenden zumuten, sich in Gefahr zu
begeben.
Sie rannte auf den offenstehenden Eingang des Taxis zu. Der Pilot
streckte ihr hilfreich die Hand entgegen.
»Schnell!« keuchte Joan. »Fliegen Sie
weg!«
»Um Himmels willen, warum haben Sie’s denn so
eilig?«
Sie überging die Frage und ließ sich in das weiche,
bequeme Polster zurückfallen.
»Wohin soll ich Sie bringen? Zur Polizei?«
»Ja.«
Der Pilot startete. Die Antigravmotoren zogen den Helikopter
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