Macabros 051: Skelettus, Fürst der Knochenburg
Wächter, die ihn begleitet hatten, lachten rauh.
»Wer sich nicht vor Tamuur verbeugt, den bringen wir
dazu«, sagte der eine mit rauher Stimme, und ein hartes Lachen
kam aus seiner Kehle.
Der scharlachrote Schein um Tamuurs unmenschlichen Schädel
verstärkte sich. Das kalte Lächeln um Aleanas Lippen
veränderte sich nicht, als Mahay auf dem Boden lag, schmerzhaft
das Gesicht verzog und sich langsam wieder aufrichtete.
Mahay schluckte. Er starrte auf die schöne Aleana, die wie
eine seltene, kostbare Blüte neben diesem unförmigen
Koloß wirkte. Aleanas zarte Glieder schimmerten wie Elfenbein
durch das halbdurchsichtige, schwarzgrüne Gewand, das mehr von
ihrem Körper preisgab, als es verbarg. Das schwarze Haar fiel
wie dichtgewebte Seide auf ihre bloßen Schultern und bildete
einen welligen Kranz, der sanft bis zum Ansatz ihrer Brüste
reichte. Das Gesicht der schönen Fürstentochter war edel
geschnitten, und das schwarze Haar umrahmte ein Antlitz, das ein
begnadeter Künstler nicht schöner auf die Leinwand
hätte bannen können.
Aber das Lächeln! Es wirkte kalt und unpersönlich, und
es paßte überhaupt nicht zu diesem engelgleichen, sanften
Wesen, dessen Schönheit im scharfen Gegensatz zu dem
Unmenschlichen stand, der den Platz an ihrer Seite einnahm.
»So sehen wir uns wieder«, höhnte Tamuur. Seine
dumpfe Stimme wirkte echoartig und hallte durch den Saal. Der Magier
hob die Rechte. Es war keine menschliche oder menschenähnliche
Hand. Sie sah aus, als wäre sie aus lauter straffen
Muskelsträngen zusammengebündelt, die in einem knolligen
Auswuchs mündeten. Der wiederum erinnerte an das verdickte Ende
eines Röhrenknochens. »Ich heiße dich willkommen zu
meinem nächtlichen Spiel. Nichts verschafft mir mehr Freude als
die Spaziergänge durch meinen magischen Garten und die Spiele
mit Leben und Tod, und meine Liebe, Aleana, die Fürstliche, hat
inzwischen eingesehen, daß man in der Tat Freude an diesen
Dingen haben kann – auch wenn man nicht wie Tamuur ist, aber
eines Tages so sein kann wie er.
Nichts ist vor mir gewesen, und nach mir wird nichts mehr sein!
Wenn alle Völker dieser Welt längst vergangen sein werden,
wenn die Städte in Schutt und Asche liegen, dann wir es mich
noch immer geben.«
»Herrscher über ein Totenreich«, stieß Mahay
hervor und blieb auf den Knien.
Er hob den Kopf, aber der wurde ihm mit Gewalt von hinten wieder
heruntergedrückt.
Der Koloß von Bhutan ertrug die Demütigungen. Er hatte
noch Kraft genug, mit allen dreien fertig zu werden. Doch er
ließ sich nicht auf die Provokationen ein. Er war
überzeugt davon, seine Kräfte zu einem späteren
Zeitpunkt noch wichtiger zu brauchen.
»Ein Reich, das du dir nicht vorstellen kannst, daß ist
alles«, höhnte Tamuur. Seine Stimme hallte wie ein
geisterhaftes Echo durch die Halle. »Ein Reich, in dem alles so
geformt ist, wie es mein Wille befiehlt. Das ist der Höhepunkt
meiner Existenz, den ich anstrebe. Und Aleana, die diesen Sinn
anfangs auch nicht begriffen hat, scheint sich verändert zu
haben. Nachdenken führt eben manchmal doch zu einem Ergebnis,
nicht wahr, meine Liebe?«
Er war ein Monster und sei eine zerbrechliche Blume. Sie
paßten einfach nicht zusammen, und Mahay drehte sich
förmlich das Herz um, als er sah, wie Tamuur seinen bizarren Arm
um die Schultern der zarten Person legte, und wie die sich sogar
leicht an ihn schmiegte.
Mahay schluckte.
War es wirklich zu einer Sinnesänderung Aleanas gekommen
– oder wirkten sich die magischen Kräfte des Unheimlichen
jetzt doch aus? Hatte er die Geduld verloren und zwang Aleana in eine
Rolle, in der sie meinte, glücklich zu sein?
Die Fähigkeit und Macht besaß er dazu.
Aber das wiederum hätte seinem Wunschdenken widersprochen,
Aleana aus freien Stücken für sich zu gewinnen… Es war
alles sehr verworren…
»Laßt uns allein!« befahl Tamuur, und die drei
Wächter verließen mit hallenden Schritten den Saal.
Da wollte Mahay sich erheben.
»Bleib auf den Knien!« kühl, sachlich und hart
waren die Worte. Und die kamen diesmal nicht aus dem
flammenumzüngelten Magierschädel, sondern über die
schön geschwungenen, feucht schimmernden Lippen der
Fürstentochter. »Er hat recht, was er sagt: ich habe
nachgedacht. Er ist mein Gebieter, und ich werde aus freien
Stücken seine Gemahlin. Die Welt, die er mir zu Füßen
legt, wird nicht mehr gemeinsames haben mit jenen Welten, die ich
bisher in meiner Unwissenheit und Kurzsichtigkeit
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