Macabros 059: Die menschenfressenden Schatten
undurchdringlichen Dschungeln? Die
Pilze selbst leben hier – wie du selbst gesagt hast, vermutest
du, daß sie sich wie Wasser verändern können,
daß es sie in flüssiger, gasförmiger und fester Form
gibt. Sie halten sich also in dieser Sekunde überall hier
auf.«
»Dies ist ihre Welt. Sie kamen aus den Wäldern, und sie
fürchten, daß mit der Rückgabe des Amulettes an
seinen rechtmäßigen Besitzer ihre Bewegungsfreiheit wieder
eingeschränkt wird und sie zu Pflanzen werden, die sie schon mal
waren. – Nichts zu suchen aber haben sie in der Welt, aus der
wir kommen, Mogk Duul! Man hat uns überlistet. Man
läßt uns hier in Ruhe. Das gefällt mir nicht. Ich
muß zurück – ich muß wissen, was für eine
Bedeutung die Schatten haben, die durch unser Eindringen hier befreit
wurden. Das Ganze ging zu glatt…«
Die letzten Worte hörte auch Morell. Er glitt schräg aus
dem opalisierenden Himmel herab und kam neben Björn auf die
Füße zu stehen.
»Auch ich muß dauernd daran denken, Björn«,
schaltete er sich ein. »Das mit den Schatten ist mir nicht ganz
geheuer. Sie ließen uns in Ruhe. Sie schwärmten einfach
aus, mit ungeheurer Geschwindigkeit. Etwas hinderte sie daran, uns
anzufallen. Aber das Böse, das von ihnen ausging, war im
Augenblick der Befreiung beinahe körperlich zu
spüren.«
»Da ist vor allen Dingen auch die Bemerkung Mogk Duuls, die
mir nicht aus dem Kopf geht«, erwiderte Björn. »Die
Schatten kommen, um Rache zu nehmen, um wie ein Insektenschwarm
über die herzufallen, deren Haß ihnen gilt. Ich kann mich
eines unguten Gefühls nicht erwehren: wir haben mit unserem
Eindringen hier etwas angerichtet, was wir möglicherweise nicht
mehr gutmachen können. Es sei denn, wir finden den Ort, an dem
man den Namen des Unaussprechlichen nennen muß, wenn die
Schatten versammelt sind. Und ich kenne diesen Namen, es gibt
für mich nicht den geringsten Zweifel, daß es sich um
Haophylkontromtetcoilak handelt, dessen Pläne wir nicht mal
ahnen können…«
Sie besprachen das Problem in aller Offenheit, und Oceanus konnte
sich der schwerwiegenden Argumentation nicht entziehen.
»Meine guten Wünsche begleiten euch«, sagte er
schließlich.
»Du bleibst hier?« fragte Mirakel verwundert.
»Ja. Was nützt euch meine Begleitung? Ich suche mein
Volk in den Meeren, die ich nicht kenne. Werde ich die Verschollenen
finden? Ich weiß es nicht, aber ich habe Hoffnung. Die Pilze
standen im Mittelpunkt der Ereignisse, als ich mein Bewußtsein
wieder entdeckte. Alles, so weist auch die Geschichte des Oceanus
nach, wiederholt sich. Die Pilze standen im Mittelpunkt der
Ereignisse, als mein Volk verschwand. Die Pilze – das Volk
Haophylkontromtetcoilaks? – können das Amulett vernichten,
hinter dem sie so verzweifelt her waren. Dies ist ihnen nicht
gelungen. Ich selbst bin zu ihnen gekommen als freier Oceanus, der
sein Volk wieder sammeln will, der beabsichtigt, die düsteren
Schatten der Vergangenheit zu vertreiben. Ich werde alle Ozeane
dieser Welt durchstreifen auf der Suche nach meinem Volk… und
ich werde auch Ausschau halten nach deinem Freund und den anderen,
Björn, die von den Pilzen auf einem mir unfaßbaren Weg
entführt wurden. Was du mir geschildert hast, läßt
mich erkennen, daß es Bezirke gibt, die von den Pilzen
beherrscht werden und in denen sie anders agieren als hier – wo
ihr Pflanzendasein sich noch nicht verändert hat.«
»Vielleicht sehen wir auch das falsch, solange wir nichts
Genaues wissen«, murmelte Hellmark nachdenklich. »Die Pilze
in der Bucht vor dem Eingang in unsere Dimension wirkten sehr
lebendig, aber sie waren es nicht mehr. Woran mag das liegen? An der
Tatsache, daß der rechtmäßige Erbe das Amulett
wieder trägt – oder daran, daß diese Pilze in einer
anderen Form auf unserer Welt agieren und dort in der Bucht dieser
Dimension lediglich ihre leere Hülle zurückgelassen haben?
Ich bin voller Unruhe… ich muß Gewißheit
haben…«
»Das kann ich verstehen. Könnte ich euch helfen, wurde
ich es uneingeschränkt tun. Aber meine Anwesenheit
›drüben‹ auf unserer Welt wäre sinnlos und
bedeutete nur Zeitverlust. Kehrt bald zurück! Ich wünsche
euch viel Glück. Immer wieder werde ich hierher in diese Bucht
zurückkehren, um nach euch Ausschau zu halten. Und wenn wir uns
wiederbegegnen, vielleicht werde ich dann für euch schon eine
gute Nachricht haben. Und ihr für mich hoffentlich auch
eine…«
Oceanus ließ sich zurückgleiten in die See, schwamm
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