Macabros 062: Shimba-Loo schickt den Rachedämon
die
Kleidung, die für diese Zeit und für sie notwendig war. Im
nächsten Moment trug sie hauteng anliegende weiße Jeans
und einen saloppen, tief ausgeschnittenen Pulli. Über dem Arm
hing eine leichte Übergangsjacke, und in der Hand hielt sie eine
prall gefüllte Reisetasche.
Die blonde Frau ging die Straße entlang Richtung London. Sie
hielt sich immer ganz rechts am Randstreifen.
Sie wußte um diese Welt und war über jede Besonderheit
und über die Art der Menschen zu leben informiert. Shimba-Loos
Wissen war zu dem ihren geworden…
Sie hoffte, per Anhalter weiterzukommen. Ihre Hoffnung
erfüllte sich rasch. Schon nach wenigen Minuten kam ihr ein
Fahrzeug entgegen. Der rücksichtsvolle Fahrer blendete ab, als
er die einsame Spaziergängerin am Straßenrand winken sah.
Er ging mit der Geschwindigkeit herunter und stoppte neben ihr.
Am Steuer saß ein junger, dunkel gelockter Mann. Auf dem
Rücksitz lagen mehrere Musterkoffer, und am hinteren Fenster
hingen zwei Anzüge und ein Jackett.
Der Fahrer kurbelte das Fenster herunter und sprach die Anhalterin
an. »Sie haben sich keine gute Zeit und kein besonders
schönes Wetter für Ihren Spaziergang ausgesucht,
Miss.« Er lachte jungenhaft. Sein Alter war schlecht zu
schätzen. »Darf ich Sie irgendwohin bringen?«
Die Unbekannte kam lächelnd heran und beugte sich nach unten.
»Das dürfen Sie gern, wenn Sie wollen. Fahren Sie nach
London?«
»Nicht direkt. In die Richtung – ja.«
»Wie weit fahren Sie noch?«
»Noch gut dreißig Meilen.« Er nannte den Namen
einer Ortschaft, der ihr jedoch sofort wieder entfiel.
»Nun, das ist wenigstens etwas. Dann werd’ ich schon
irgendwie weiterkommen. Wenn Sie mich mitnehmen
würden?«
Er öffnete die Tür. »Aber gern. Eine so charmante
Begleitung findet man nicht jeden Tag.«
Sie nahm neben ihm Platz. Die Jeans knackten in den Nähten,
als sie die Beine anzog. Die Namenlose stellte die Reisetasche vor
ihre Füße und zog die Tür zu.
Im Wagen roch es, als ob jemand einen Liter Parfüm verspritzt
hätte.
Der Fahrer grinste. »Ich kann mir jetzt vorstellen, was Sie
denken«, sagte er rasch, noch ehe sie eine Frage stellen
konnte.
»Hier riecht’s wie in einem siebenstöckigen
Freudenhaus, ich weiß. Aber das bringt mein Job so mit sich. In
den Koffern – dort hinten auf dem Rücksitz –
transportiere ich fünfzehn verschiedene Sorten duftender Seifen
und rund sechzig verschiedene Parfüms und Eau de Colognes. Ich
bin Handelsvertreter. Dies nur, um meinen guten Ruf zu wahren.«
Er lachte, und sie stimmte fröhlich mit ein.
Sie war ihm auf den ersten Blick sympathisch und tat so, als ob er
es für sie auch sei. Die Namenlose selbst konnte weder Sympathie
noch Zuneigung empfinden. Sie hatte kein menschliches Herz, keine
menschliche Seele…
»Mein Name ist Tom Delay«, stellte er sich vor.
Sie sah ihn an. Ihre Reaktion erfolgte wie aus der Pistole
geschossen. »Und ich heiße – Lorette
Mallory.«
Sie kamen schnell ins Gespräch. Freimütig erzählte
Delay über sein Leben, seine Arbeit, seine Interessen und
Hobbies. Und sie ging darauf ein. Der Dialog ergab sich wie von
selbst, und wie bei einem Tennisspiel gingen die Balle hin und her.
Die Zeit verflog im Nu.
Plötzlich fuhr Tom Delay zusammen. »Das gibt es doch
nicht!« entfuhr es ihm.
Lorette Mallory sah ihn erschreckt an. »Was ist denn los mit
Ihnen?«
Er begann plötzlich zu lachen. »Wissen Sie, was mir
passiert ist? Die letzte Ortschaft, durch die wir gefahren sind war
mein Ziel gewesen.«
»Oh! Dann müssen Sie mich ganz schnell aussteigen
lassen.«
»Wer sagt das? Wenn ich Sie vorhin recht verstanden habe,
wollten Sie doch bis nach London?«
»Okay, aber damit haben Sie ja nichts zu tun. Halten sie
bitte dort an der Straßenecke!«
Er schüttelte den Kopf. »Und wenn ich nicht will?«
Er sah sie merkwürdig von der Seite an.
»Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll.« Sie
reagierte, wie man es von einer Dame erwartete.
»Wir fahren einfach weiter! Wenn ich schon auf dem Weg bin,
dann kommt es auf die letzten zwanzig Meilen auch nicht mehr an. Wir
haben so nett miteinander geplaudert, daß es Unsinn wäre,
das Gespräch jetzt schon abzubrechen. Finden Sie nicht
auch?«
Sie sah ihn mit ihren großen, glänzenden Augen an.
»Extra wegen mir wollen Sie nach London fahren? Das kann ich
unmöglich annehmen!«
»Warum eigentlich nicht? Ich mach’s gem. Außerdem
beruhigt mich das.«
»Es beruhigt Sie?« wiederholte sie seine
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