Macabros 071: Spinnenritter greifen an
Bewußtlosigkeit.
Irritiert öffnete sie die Augen, um sie sofort geblendet wieder
zu schließen.
»Ich… friere«, kam es kaum verständlich
über ihre zitternden Lippen.
»Sollen wir einen Arzt rufen, Juanita? Die Guardia
Zivil?«
Die Gefragte schüttelte kaum merklich den Kopf. »Nicht
nötig… es ist alles gut… ich bin bei euch… was
will ich mehr? Das furchtbare Wasser, das versinkende Auto… der
blonde Mann… er hat mir geholfen… ein Geist, Alfredo…
stellt euch nur vor… ein Geist hat mich gerettet!«
Das Wirtspaar sah sich verwundert und befremdet an.
»Was redest du da für Zeug?« flüsterte der
Wirt.
»Ich… sage euch… die Wahrheit… Ich bin doch
bei euch, nicht wahr? Ich hab’s geschafft…«
In ihrem Gesicht zuckte es, dann rollten Tränen über
ihre Wangen.
Der Wirt gab seiner Frau einen Wink, alles weitere zu
erledigen.
Er selbst verließ das Zimmer, während sie Juanita die
nassen und schmutzigen Kleider abstreifte, heißes Wasser in
eine Wanne laufen ließ und ständig mit der jungen
Spanierin sprach, die vor. Schwäche wieder wegzusacken
drohte.
Die Worte, die über Juanita Ramons Lippen kamen klangen in
den Ohren der Wirtsfrau wenig glaubhaft.
»Du bist verwirrt… du hast Fieber. Das ist alles, mein
Kind«, sagte die Wirtin, während sie ihrem Schützling
behilflich war, auf die wackeligen Beine zu kommen. Ohne Stütze
hätte Juanita es unmöglich geschafft, ins Bad zu kommen,
das nur wenige Schritte von diesem kleinen Nebenzimmer aus entfernt
lag.
Blütenduft lag in der Luft, der aus dem Badeschaum aufstieg,
der sich dicht und sahnig auf dem angenehm warmen Wasser
zusammenballte.
»Ein warmes Bad wird dir guttun. Du wirst sehen, das
stärkt deine Glieder und weckt deine Lebensgeister. Du
mußt unbedingt ein Bad nehmen. Du bist ja völlig
durchkühlt. Wie bist du nur in diese Situation
geraten?«
Juanita Ramon erzählte ihre Geschichte zum dritten oder
vierten Mal, und es waren fast die gleichen Worte, die sie benutzte
und die die Frau doch nicht überzeugten.
Das Mädchen, das ein so schreckliches Abenteuer hinter sich
hatte, ließ sich mit Hilfe der Wirtin ins Wasser gleiten und
lehnte sich wohlig zurück.
»Ja… die Wärme tut gut. Danke, Dolores… der
blonde Mann, weißt du… er sah gut aus… ob ich ihn
jemals wiedersehe?«
Mit dem Lächeln der Wissenden schloß sie die Augen und
fiel in einen leichten Schlaf, aus dem die Wirtin sie nicht sofort
wieder wecken wollte.
Sie blieb neben der Wanne sitzen und achtete darauf, daß
Juanita mit dem Kopf nicht ins Wasser glitt. Vor Wasser hatte sie
eine panische Angst…, sie hatte so viel gesehen, und der
Gedanke, unter schrecklichen Umständen zu ertrinken, lastete
noch immer in ihr wie Gift, das sich nicht aus ihrem Körper
schleusen ließ.
»Hast du ihn nicht gesehen… Dolores?« fragte
Juanita Ramon nach einer geraumen Weile, als sie plötzlich
wieder aus ihrem Dämmerschlaf erwachte. »Er muß doch
in meiner Nähe gewesen sein… Er hat mich doch
gebracht…«
Da erzählte die Wirtsfrau, auf welche Weise sie das junge
Mädchen gefunden hatten. »Da ist niemand gewesen,
Juanita… du hast alles nur geträumt… die
gräßlichen Spinnen und die Geschöpfe darauf, die es
nicht gibt… die Gefahr, zu ertrinken… der fremde, blonde
Mann, der dich aus höchster Not errettet hat.«
»Ich habe dir noch nicht alles erzählt, Dolores…
die Fahrt mit dem Auto… wie ich in das ausgestorbene Dorf
Meronja gekommen bin… mit unserem Gast… Hans Gerhold…
sein Wagen ist es… der in den Fluß gestürzt ist, als
die Brücke brach…«
»Du phantasierst, Juanita«, mußte sie sich sagen
lassen. »Senior Gerhold hält sich tatsächlich nicht
hier im Haus auf. Er ist heute abend mit seinem Auto weggefahren.
Aber all die Dinge, die du erzählst…«
»Sie entsprechen der Wahrheit, Dolores. So verrückt sie
sich auch anhören mögen. Doch eine Erklärung muß
es dafür geben. Und nun möchte ich schlafen. Hilf mir bitte
aus der Wanne…«
Die Wirtsfrau war dem jungen Mädchen behilflich beim
Abfrottieren. Juanita war schwach und erschöpft und wollte am
liebsten nicht mehr über die Dinge sprechen, die sie so sehr
mitgenommen hatten.
»Ich gehe auf mein Zimmer«, sagte sie unvermittelt.
»Ich möchte euch hier unten nicht so lange zur Last fallen.
Vielleicht hätte ich heute abend auch hier bleiben sollen. Der
Tag hat schon so merkwürdig angefangen. Es scheint, als
hätte die Rückkehr meines ehemaligen Verlobten nur
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